Montag, 13. Dezember 2010

Jamies 30 Minuten Menüs: Das Fazit

„Das Buch gehört nicht übersetzt. Das Buch gehört transkribiert“, japste Bushcook, nachdem sie sich vom Lachanfall, der sie beim Durchblättern überkam, einigermaßen erholt hatte. „Das Buch ist so durch und durch englisch, das müsste für den deutschen Markt komplett umgearbeitet werden“, setzte sie hinzu. Damit ist eigentlich alles zum Kochbuch in drei Sätzen gesagt. Bushis Aufforderung „Mach’ unbedingt Kimchi! Wie er den in 30 Minuten schafft, muss ich sehen! Richtiges Kimchi muss mindestens eine Woche gären!“ kam ich noch nicht nach. Grüne Currysauce / Knuspriges Hähnchen / Kimchi-Krautsalat / Reisnudeln schaffte ich in den in vorgegebenen vier Wochen nicht, das wäre ein Curry-Overflow gewesen, zumal es ja auch beim vierten Hamburg kocht!-Treffen Curry satt gab. Aber das Rezept steht noch auf der Nachkochliste.

Mein Dank geht an Lovelybooks und den Verlag Dorling Kindersley, die diese ungewöhnliche Testaktion möglich machten! Schade, dass so wenig Teilnehmer die vollen vier Wochen durchhielten. Auch wenn "Jamies 30 Minuten Menüs" nicht zu meinem Lieblingskochbuch wurde, machte die Aktion doch viel Spaß, würde ich sie jederzeit wiederholen.

In der Pressemitteilung des Verlags heißt es, mit dem Buch „werden selbst Anfänger ganz intuitiv ans Kochen herangeführt und zaubern statt schlichten Standardgerichten tolle Menüs. Auch Fortgeschrittene werden dieses Buch wegen der besonderen Ideen lieben. Ganz nebenher bringt Jamie uns bei, wie wir mit den beschriebenen Arbeitsanweisungen, einer sinnvoll ausgestatteten Küche und einer durchdachten Vorratshaltung auf wunderbar effektive Weise Zeit sparen können.“

Ähm, sorry, aber entweder stimmt mit mir was nicht oder mit dem Buch. Hätte ich nach diesem Buch Kochen lernen sollen, wäre ich beim Tütenaufschneiden geblieben. Als Fortgeschrittene vermisse ich die besonderen Ideen. Okay, ich lernte einige Kombinationen kennen, auf die ich sonst nicht gekommen wäre. Grundsätzlich aber sind die meisten JO-Rezepte aus diesem Buch schnelle Alltagsküche, nur durch die chaotische Vorgehensweise verkompliziert – genial einfach ist hier kaum noch was. Okay, ich lebe auch nach dem Prinzip „Nur kleiner Geister brauchen Ordnung. Ein Genie überblickt das Chaos“. Aber ich muss mir dieses Chaos mit unstrukturierten Handlungsanweisungen nicht künstlich schaffen.

Dass es auch einfacher und entspannter geht, zeigt Fritz mit Allerlei Salat / Sedani mit Walnusssoße / Himbeercrumble – kleiner Aufwand, entspanntes Kochen, große Wirkung. Das ist ein Etwa-30-Minuten-Menü, das auch anfängertauglich ist – im Gegensatz zu denen von JO. Okay, gerechterweise muss ich hinzufügen, dass die Saisonalität fehlt, denn das bemängle ich ja auch an diesem JO-Buch.

Und die durchdachte Vorratshaltung? Nach dem Gemüsecurry / Lockerer Basmatireis / Möhrensalat / Zitronenrelish / Papadams / Indisches Fladenbrot und Bier stand ich mit einer halben Butternuss und einem halben Blumenkohl da. Für den Blumenkohl-Makkaroni-Auflauf hätte ich wieder frischen Blumenkohl kaufen müssen, denn dafür braucht man einen ganzen Kopf. Für die Schweinekoteletts mit Knusperkruste / Quetschkartoffeln / Wirsing mit Minze / Heiße Pfirsiche mit Vanillesauce kaufte ich Minzsauce – im Buch ist noch ein weiteres Rezept, wo ich genau einen weiteren Esslöffel loswerde. Und wo lasse ich den Rest? Durchdachte Vorratshaltung wären für mich auch Tipps, was ich mit den Zutatenresten mache – der genannte Auflauf klappt auch mit einem halben Blumenkohl und einem halben Kürbis.

Dass Fernseh- und manch andere Promiköche die unter ihrem Namen erscheinenden Kochbücher seltenst selbst schreiben, ist klar. Dass bei den Fotoshootings nicht alle Gerichte nach Handlungsanweisung durchgekocht und dabei fotografiert werden, auch. Aber bei einem Kochbuch, das verspricht zu zeigen, „wie es geht, in nur 20 – 30 Minuten – fast der gleichen Zeit, die es dauert, ein Fertiggericht im Ofen warm zu machen oder etwas vom Schnellimbiss zu holen – ein köstliches Menü auf den Tisch zu bringen: mit genialer Planung und blitzschneller Umsetzung“, erwarte ich dusseligerweise, dass ein einziger (unerfahrener) Hobbykoch das auch schafft – ohne eine Brigade im Hintergrund, ohne Krakenarme. Ich jedenfalls schaffe es nicht. Laut JO sind die Rezepte ja von „meinem Food-Team, meiner Gang im Büro und von völlig unabhängigen Leuten getestet worden, daher weiß ich, dass sie funktionieren.“ Okay, dann stimmt also was mit mir nicht.

Die laut JO für’s Kochen nach diesem Buch notwendige „30-Minuten-Verfassung“ bedeutete für mich Stress, nicht Entspannung. Am Esstisch hatte ich dann immer noch das Gefühl, alles müsse schnell, schnell gehen, war total hektisch. Nichts gegen Quickies in Küche oder Esszimmer, aber dabei denke ich selten an Kochen oder Essen. Nun galt es im Rahmen dieser Aktion ja aber auch zu versuchen, die Rezepte in 30 Minuten zu schaffen, was mich anspornte – oder unter Druck setzte, je nach Lesart.

Was mich auch massiv stört, ist die Energieverschwendung. Ja, ich weiß, ich bin die Richtige, darüber zu mäkeln, habe ich doch keine Probleme damit, den Ofen für Gekörnte Brühe auf kleiner Stufe die ganze Nacht laufen zu lassen … Aber hier laufen Herd und Ofen meistens auf stärkster Stufe, müssen für kleine Mengen Gargut (mittel-)große Kochtöpfe genommen werden, da sonst alles überkocht. Bis zum Minz-Wirsing dachte ich, diese Anweisung könnte ich getrost ignorieren, aber seitdem nahm ich brav die angegebene Kochtopfgröße – das Foto zeigt, warum: Muss ich sagen, dass Überkochen da vorprogrammiert war?! Blöd ist, dass mein Herd nur zwei kleine, eine mittlere und eine große Platte hat, nicht vier große. Bislang reichte mir das. Dann kam dieser Kochbuchtest … Und ich habe gelernt, vorm Kochen Kontaktlinsen einzusetzen – oder ich flog als Brillenträgerin bei den Dampfschwaden in der Küche manches Mal halt blind.

Ganz in der Versenkung verschwinden wird „Jamies 30 Minuten Menüs“ bei uns dennoch nicht. Ich habe neue Kombinationen kennengelernt, auf die ich ohne JO nicht gekommen wäre. Das letzte Essen wird definitiv ins Programm aufgenommen. Einige andere Gerichte werden sicher nachgekocht, wenn auch weder in der vorgegebenen Zusammenstellung noch in der vorgegebenen Handlungsanweisung. Will man allerdings die verschiedenen Gerichte miteinander kombinieren, muss man die verschiedenen Arbeitsschritte mühselig zusammenstöpseln. Generell ist es aber kein Buch, für das ich eine Kaufempfehlung aussprechen oder das ich verschenken würde – da gefallen mir andere besser. Auch von Jamie Oliver.

Ach, und wenn mir bitte noch jemand sagen könnte, wo ich das Rezept zu dem Feldsalat mit Granatapfelkernen, der auf dem Foto auf Seite 288 abgebildet ist, finde? Danke!

Und das wurde aus dem Buch auch noch gekocht:

Superschnelle Hackpfanne / Ofenkartoffeln / Ein Traum von einem Salat / Weiße Bohnen mit Speck. Hier ist mein erster Eindruck nachzulesen.

6 Kommentare:

  1. Jetzt bin ich vom Lesen schon tachycard - das Buch kaufe ich auf keinen Fall ;-)

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  2. Ach, in "Jamies Kochschule" braucht man für Makkaroni mit Blumenkohl und Käsesauce nur einen halben Blumenkohl. Aber ich bin jetzt grad zu faul um nach oben zu laufen und nachzugucken, ob es sich um das gleiche Rezept handelt!

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  3. @ Jutta, cool, ich habe ein neues Wort gelernt.

    @ Irina, hier braucht man einen ganzen Blumenkohl, einen großen. Kann also nicht das gleiche Rezept sein ;o)

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  4. Mich würde das Buch stressen, vor allem würde ich das nie und nimmer in der angegebenen Reihenfolge kochen.
    Mich stresst in der Hauswirtschaftschule das Kochen am meisten, weil wir nach Plänen arbeiten und man sich im Laufe der Jahre oft eine ganz andere Vorgehensweise angewöhnt hat.
    Warum findest Du Fritz´s Menü nicht saisonal? Tiefgekühlte Himbeeren sind ja das ganze Jahr verfügbar. Bzw habe ich die vom eigenen Busch auf Vorrat eingefroren.
    Ich hatte das Buch schon mal in der Hand- mich hat es im Gegensatz zu anderen Jamie Büchern überhaupt nicht angesprochen.
    Dafür hatte ich noch das hier:
    http://www.amazon.de/Heimwehk%C3%BCche-Lieblingsessen-aus-Omas-K%C3%BCche/dp/3831017271/ref=wl_it_dp_o?ie=UTF8&coliid=I1D1VJNQ1LJCS2&colid=2L7PEDHFSYL5H in der Hand und fand es wunderbar.

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  5. Sehe ich da etwas einen moralischen Zeigefinger? ;-) Dabei hatte ich gar nicht geschrieben, dass das Menue sogar Aldi-Süd-tauglich ist. :-)

    Tapfer wie Du durchgehalten hast! Die Kritikpunkte sehe ich auch in der mangelenden Übertragbarkeit des Buches auf den deutschen Markt und die hiesigen Lebens- und Einkaufsgewohnheiten. Dass der deutsche Kochbuchmarkt dieses Buch nun ertragen darf, liegt vermutlich auch an der Vertragsgestaltung zwischen JO und dem Verlag.

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  6. @ Gertrud,
    ich hab' mich manches Mal gefragt, ob ich mit den Arbeitsabläufen besser zu Recht käme, wenn ich erst mit dem Kochen anfinge. Vermutlich käme ich dann gar nicht auf die Idee, die im Buch genannte Herangehensweise in Frage zu stellen.

    Und, ja, mangelnde Saisonalität wegen der Himbeeren. Ich habe bei JO Menüs aussortiert, weil frische Beeren verwendet wurden und momentan keine Beeren-Saison ist. Mit TK-Beeren habe ich aber auch keine Probleme, klar.

    @ Fritz, nicht der Zeigefinger, die Axt zum Haarespalten wegen der Beeren ;o) Und bei Aldi-Süd einkaufen geht natürlich gar nicht. Über Aldi-Nord hingegen können wir reden ;o)

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