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Rouladen, klassisch. Das Aussehen der Sauce ist
Semmelknödelresten geschuldet ... |
Es gibt Tage, an denen frage ich mich, warum ich eigentlich krank bin. Tage, an denen ich morgens vor dem Wecker und vor dem Gatten aufwache, Bäume ausreißen könnte (zumindest ganz kleine) und denke: "Toll, morgen werde ich endlich wieder zur Arbeit fahren! Na gut, übermorgen. Ganz bestimmt!" Tage, an denen ich mich frage, warum die Menschen in meiner Umgebung mich besorgt angucken, weil es mir doch gut geht. Tage, an denen ich nicht verstehe, warum der Gatte mir partout ausredet, dass ich mit ihm zusammen einen Dänischkurs besuche. Tage, an denen ich mich selbst im Spiegel erkenne. Tage, an denen ich Filme ohne Werbeunterbrechungen sehen und Bücher lesen kann - sogar beides gleichzeitig.
Und dann gibt es Tage wie diese, die leider noch immer die Mehrheit sind. Tage, an denen ich selbst sehe, dass ich immer noch wie ein verpeiltes Frettchen aussehe. An denen ich mich in der eigenen Wohnung verlaufe und besser nicht vor die Tür gehe. Tage, an denen ich mich nach dem Aufstehen gleich wieder hinlege und bis zur Heimkehr des Gatten schlafe. Tage, an denen ich ein einfaches Abendessen machen will. Wie Rouladen. Längst haben wir wieder einen guten Vorrat an TK-Gerichten und Nudelsaucen da, für solche Tage wie diesen. Tage, an denen ich zu krank zum Kochen bin. Da überfordert mich schon die Komplexität einer Bild-"Zeitungs"-Schlagzeile. Bleibt mir also weg mit komplizierten Rezepten an solchen Tagen.
Aber Rouladen sind ja nicht kompliziert. Während der Zubereitung merke ich: Doch, sind sie. Zumindest in meinem derzeitigen Zustand. Beim Sellerieschneiden habe ich mir fast die Finger abgesäbelt. Beim Wurzelnschälen mit dem Sparschäler habe ich mir die Fingernägel ausgedünnt. Die Weinflasche bekam ich trotz Drehverschluss nicht auf. Ich verursachte fast einen Küchenbrand beim Versuch, Bratensatz loszukochen. Die Sauce war zu dünn und hätte würziger sein können. Und zum guten Schluss pürierte ich das Gewürzsäckchen mit ... Arthurs Enkeltochter, die kurz vor Fertigstellung des Abendessens kam, entschloss sich spontan, ein Käsebrot zu essen ... Knödel und Rotkohl gab's als Fertigprodukt - der besorgte Gatte hatte sie sicherheitshalber gegen meinen Willen besorgt. Das Selbermachen wäre dann auch vollends über meine Kräfte gegangen.
An solchen Kleinigkeiten merke ich, dass ich von "Gesund" doch noch ein wenig entfernt bin. Von den anderen Wehwehchen, die mit so einem Burn Out einhergehen - Schwindel, Tinnitus, Panikanfälle, Sehstörungen, Nachtmahre, Verspannungen, Konzentrationsstörungen, Appetitlosigkeit (jiiipppiiieee), Heißhunger auf Süßes (zu früh über die Appetitlosigkeit gefreut - Schokolade geht immer, notfalls als Kaukau), Vernachlässigung, Resignation, Schüttelfrost, unbegründete Heulkrämpfe, selbstgewählte Kontaktlosigkeit etc. pp. - reden wir erst gar nicht. Bei der Anamnese knacke ich regelmäßig den Highscore. Immer noch. Und zum ersten Mal merke ich, was es heißt, nicht schreiben zu können. Ein sehr befremdlicher Zustand, auf den ich gut verzichten könnte. Aber so'n Burn Out ist halt nix für Weicheier.
Rouladen mache ich natürlich ohne fixe Tüte, selbst in meinem jetzigen Zustand. Dadurch verzichte ich auf pflanzliches Fett gehärtet, modifizierte Stärke, Milchzucker, Gemüse und Gewürze in Pulverform, Geschmacksverstärker, Maltodextrin, Rotweinextrakt, Aroma, Zucker, Farbstoff E 150c, Verdickungsmittel Xanthan, pflanzliches Öl gehärtet, Hefeextrakt und Traubenzucker. Vollends hirnrissig wird der Tütenkauf, wenn man bedenkt, dass die Rouladen mit dem Zeugs etwa 90 Minuten garen und ohne etwa anderhalb Stunden. Du siehst, die Tüte spart immens Zeit. Außerdem reicht eine Tüte für drei Rouladen - für vier Portionen brauche ich also 3 Tüten - oder 2,6 Tüten, wenn ich's ganz genau nehme - aber was fange ich dann mit 0,4 Tüte Rouladenfix an?
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Füllen der Rouladen. |
Rouladen
Zutaten für 4 Portionen:
8 Rouladen vom Rind (mir langt ja eine Roulade, aber der Gatte findet das zu wenig. Ich kenne auch Rezepte, in denen drei Rouladen pro Person gerechnet werden. Zwei pro Person erscheint mir ein guter Kompromiss)
2 grobe Bratwürste (alternativ Mett)
2 Gewürzgurken, in Streifen geschnitten
1 Wurzel (je nach Größe auch 2), geschält und in Streifen geschnitten
8 Scheiben Frühstücksspeck
mittelscharfer Senf (nach Geschmack auf Dijon-Senf)
Suppengemüse (Lauch, Sellerie, Wurzel, Petersilienwurzel, krause Petersilie)
Gemüsezwiebel
Tomatenmark
Salz
Pfeffer
2 Lorbeerblätter
5 Nelken
10 Wacholderbeeren
2 Pimentkörner
Paprikapulver, edelsüß
Butterschmalz
Rotwein
ggf. Wasser
ggf. Stärkemehl
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Rouladen warten auf den Topf. |
Zubereitung:
Das Fleisch trocken tupfen, mit Salz und Pfeffer würzen, mit Senf und mit Brät (Mett) bestreichen. Am unteren Ende mit Gurken- und Wurzelstreifen belegen, dann aufrollen und feststecken oder festbinden. Das Suppengemüse und die Zwiebel waschen, ggf. schälen und grob würfeln.
Die Rouladen in einem Topf, in den auch das Suppengemüse passt, von allen Seiten in Butterschmalz kräftig anbraten, dann aus dem Topf nehmen. Suppengemüse im Bratfett der Rouladen gut anbraten und etwas Tomatenmark und Paprikapulver dazugeben. Mit Rotwein ablöschen.
Rouladen wieder in den Topf geben und mit Rotwein aufgießen, bis die Rouladen zu ca. 3/4 bedeckt sind. Lorbeerblätter (leicht geknickt), Nelken, Wachholderbeeren (angedrückt) und Piment in einen Gewürzbeutel oder einen Teefilter (aus Papier, verknotet) füllen und mit in den Topf geben. Alles etwa anderthalb Stunden schmoren lassen, bis das Fleisch schön mürbe ist. Ab und an mal kontrollieren, ob Wein oder Wasser nachgefüllt werden muss.
Die Rouladen aus dem Topf nehmen und warm stellen. Gewürzsäckchen entfernen und den Sud pürieren, ggf. mit Stärke binden, falls die Sauce zu dünn ist.
Wir essen die Rouladen am liebsten mit Klößen und Rotkohl.