Vor diesem Wocheneinkauf hatte ich einigen Respekt, denn den machte ich einen Tag, nachdem die neuen Corona-Maßnahmen verkündet wurden, und vor einem Feiertag. Dementsprechend rechnete ich mit vielen Hamsterer und den normalen Feiertagspanikern. Zudem musste ich auch noch alleine in einem unbekannten Supermarkt einkaufen, weil ich die Zeit nutzen wollte, während der Gatte im Krankenhaus behandelt wird.
Der Einkauf war entspannter als befürchtet. Im Supermarkt war's zwar proppenvoll, was ich schon ahnte, als ich auf dem riesigen Parkplatz kreiseln musste, um einen Platz zu bekommen, und Mindestabstand war im Laden kaum möglich, aber es war unglaublich viel Personal eingesetzt, dass pausenlos neue Ware in die Regale räumte. So bekam ich dann alles, was ich brauchte - inklusive Klopapier und Ravioli in Dosen. Einzig carragenfreie Sahne gab's nicht, weil nicht im Sortiment, und Kuchengabeln waren vergriffen.
Während ich mich langsam als mobiles Hindernis von Regal zu Regal bewegte, um meinen Zettel abzuarbeiten, hörte ich zwangsläufig die Unterhaltungen der Angestellten, die einiges auszuhalten hatten: Da gab's Kunden, die spukten, pöbelten, schlugen ... Alle bekloppt!
Im Laufe der Woche ging's dann noch mehrfach zum Bäcker, außerdem zum Schlachter, zum Grönhöker, zum Discounter, zur Apotheke, zur Metro (endlich Kuchengabeln!), in den Drogeriemarkt. Viele Touren übernahm meistens der Gatte, der wesentlich lieber einkauft als ich. Angesichts der vielen Risikobegegnungen, die mir die Corona-Warn-App anzeigt, obwohl ich im Gegensatz zum Gatten kaum draußen bin, wäre es mir lieber, er nutzte endlich sein Smartphon und installierte die App, aber nun ja.
Ursprünglich wollten wir diese Woche hauptsächlich den Tiefkühler leer essen, aber das klappte nicht. Zu Beginn des Corona-Gedöns' hatte ich den ja gut gefüllt, falls wir in Quarantäne müssen, aber die ist uns bislang Gott sei Dank erspart geblieben. Also wird der Tiefkühler langsam geleert, auch, weil wir eine neue Kühl-Gefrier-Kombi kaufen werden. Und dann ist da noch der volle Tiefkühler im Keller, den wir von Schwiegermutter übernahmen - samt Inhalt.
Das Leeren des Tiefkühlers klappte auch deswegen nicht, weil der Gatte dachte, zum Schweinefilet gäbe es Pilze und beim Grönhöker Champignons kaufte. Die mussten natürlich verarbeitet werden. Und aus der Vorwoche war noch sein Zwei-Kilo-Wurzeln-Schnäppchen da, das zu Salat wurde, der für eine Kompanie reichte. Also umdisponieren.
Umdisponieren hieß es auch, als ich die Diagnose der Endokrinologin bekam mit u.a. dem Ergebnis, dass ich mich ketogen ernähren soll. Na, Prost Mahlzeit! Idealerweise verzehre ich also 0 % Kohlenhydrate, 70 % Fett und 30 % Eiweiß, heißt, ich muss Fleisch, Fett, Milchprodukte, Soja und Eier essen. Verboten sind Hülsenfrüchte, Getreide und Obst (bis auf Sommer-Obst, aber momentan ist Herbst). Gemüse geht, sofern es über der Erde wächst und kein Mais, Butternuss oder Hokkaido ist. Statt Chips esse ich Salz pur oder schmelze Käse. Rotwein oder Schokolade ersetze ich durch Brokkoli. Zum Frühstück soll ich Kaffee mit einem Löffel Butter und einem Löffel Kokosöl trinken und dazu beispielsweise ein Omelett aus 5 Eiern und 3 Eiweiß essen.
Ganz ehrlich, das ist keine Ernährungsform, das ist eine Essstörung.
Dusseligerweise habe ich auch eine Östrogendominanz. Daher soll ich auf Fleisch, Fett, Eiweiß, Soja und Milchprodukte verzichten, viel Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte essen. Kurz dachte ich, okay, dann die nächsten Wochen halt nur Wasser und sonst nix, aber das geht auch nicht, weil ich täglich mindestens 1000 Kalorien zu mir nehmen und die Medikamente zu Mahlzeiten einnehmen muss.
Das war der Moment, in dem mein Hirn implodierte.
Das Corona-Gedöns belastet mich seit acht Monaten, jetzt kommt auch noch der Keto-Krams dazu. Das überfordert mich total. Kalorien zähle ich ja eh schon automatisch seit Jahrzehnten, aber jetzt habe ich mir dafür tatsächlich eine App geholt, weil die zusätzlich die Kohlenhydrate ausweist - und mir täglich zeigt, dass ich scheitere, weil ich einfach nicht auf Null komme. Dafür ist meine Kalorienbilanz absolut vorbildlich, aber dass ich insgesamt nicht zu viel esse, wusste ich ja schon vorher.
Wenn ich mich wirklich ketogen ernähre, kann ich mich zudem schneller von meinen guten Blutfettwerten verabschieden, als mir lieb ist. Und auch ohne Ketose bin ich aktuell ein ständiger Quell schlechter Laune, denn mir fehlen Brot zum Frühstück, Haferflocken zu Mittag und Obst als Zwischenmahlzeit, ich habe ständig Magenschmerzen, weil ich lange Pausen zwischen den maximal drei Mahlzeiten, die ich darf, machen soll, und habe, warum auch immer, diese Woche kräftig zugenommen.
Natürlich weiß ich inzwischen, dass es für Nudeln, Brot etc. ketogenen Ersatz gibt, aber um Kempowski sinngemäß zu zitieren: Ersatz ist nicht das Original. Warum soll ich für Nudeln Frischkäse, Leinsamen, Flohsamenschalen, Eier und Käse zusammenpampsen, wenn Mehl und Eier reichen?! Warum soll ich Knäckebrot mit Palmfett essen, wenn es auch ohne geht?! Und wie zur Hölle kommt irgendjemand darauf, dass diese ganzen Pülverchen, die unzähligen Ersatzstoffe, die man braucht, um den Pamps zu binden, natürliche Lebensmittel sein könnten, wie Keto-Fans behaupten?! Natürliche Lebensmittel kommen nicht aus dem Labor.
Immerhin habe ich es gestern tatsächlich geschafft, ketogen zu frühstücken. Es gab ein Omelett aus vier Eiern, Paprika, Petersilie und Tomate. Ich brauchte 'ne gute Stunde, bis ich das auf hatte - und nach 'ner weiteren Stunde hatte ich wieder Hunger. Meine Kalorienzähl-App, die ich nur nutze, um Kohlenhydrate zu zählen, blinkte angesichts der Fett- und Eiweiß-Mengen hektisch. Das war der Moment, in dem ich beschloss, mich weiterhin mit gesunder Vollkost zu ernähren, aber der Endokrinologin nichts davon zu erzählen. Klappte beim Gatte schließlich auch. Und ich habe keinen Heißhunger auf Süßigkeiten oder Chips wie in dieser Woche, in der ich versuchte, mich ketogen zu ernähren.
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In dieser Woche sollte es viel aus dem Tiefkühler geben. |
Unser Wochenplan in Theorie und Praxis:
Sonnabend gab's Schweinefilet aus dem Rosmarinrauch und Apfelrahmkraut.
Sonntag gab's Wurzelsalat mit Klopsen. Geplant waren eigentlich Schmorgurken mit Fleischbällchen.
Montag gab's Schweinefilet aus dem Rosmarinrauch und Apfelrahmkraut. Geplant war Nudelauflauf.
Dienstag sollte es Cidre-Hähnchen geben. Es gab Bohnensuppe.
Mittwoch sollte es Nudeleintopf geben. Es gab Hack mit Champignons - und einem wirklich ketogenen Butterverbrauch des Gatten für das Anbraten des Hacks in einer beschichteten Pfanne. Während ich das fettfrei schaffe, brauchte der Gatte fast ein Viertelpfund ...
Donnerstag sollte es Bohnensuppe geben. Es gab Schmorgurken mit Fleischbällchen.
Freitag gab's Lachs auf Avocado-Basilikum-Nudeln.
Gebacken wurde auch: Apfel-Mohn-Streuselkuchen. Teile davon wären sogar ketogen ...
Bleibt zu Hause, bleibt gesund, passt auf euch und eure Lieben auf.