Okay, es war nie ein Lokal, in das ich meine Schwiegermutter mitgenommen hätte, denn die würde erst mal alles mit Sagrotan einnebeln, nachdem sie gründlich kärcherte, und wenn selbst ich das Verlangen bekomme, dort mal Staub zu wischen, will das schon was heißen - ich bin durch Reisen abseits der Touripfade einiges gewohnt. Orte, die so blitzsauber sind, dass man aus der Kloschüssel trinken und vom Boden essen könnte, sind mir immer etwas suspekt - wissen die nicht mit Gläsern, Tellern und Besteck umzugehen?! Na ja, und so ein verspinnwebter Ort als Kontrast zur schnieken Hafencity hat ja auch irgendwie was. Kurzum, es war nie blitzsauber, das
Fleetschlösschen, aber ich habe da trotzdem immer gerne Pause gemacht und eine Kleinigkeit gegessen, konnte den Laden meinen Gästen ruhigen Gewissens empfehlen.
Bis heute.
Wir waren zum
Foodbloggertreffen dort, und dusseligerweise hatte ich das Lokal auch noch vorgeschlagen, da es günstig zum Endpunkt der kulinarischen Stadtführung liegt, ich mir dachte, es ist nicht so schnieke wie
Schönes Leben, wir sitzen ungestörter, und nett ist es ja auch ...
Tja.
Auf der Homepage vom Fleetschlösschen heißt es so schön: "Wir bevorzugen Speisenrohstoffe aus biologisch-gesundem Anbau, kein Convenience und Fastfood."
Bislang gab es eine kleine Wochenspeisekarte mit wenig Auswahl, die Gerichte waren aber okay. Als ich heute die große Speisekarte mit ca. 10 bis 15 Gerichten sah, schwante mir schon was. Durch meine Hirnwindungen schlich sich die Frage: "Wie schaffen die die Zubereitung dieser Auswahl in der winzigen Küche, ohne richtigen Herd?"
Aber da das Hähnchencurry meines Gegenübers erst mal ansprechend aussah, mit frischem Salat und einer Kapuzinerblüte garniert war, schob ich den sich auftuenden Verdacht erst mal von mir und bestellte Hähnchencurry.
Trotzdem, die Speisekarte ließ mir keine Ruhe, nicht nur wegen der Rechtschreibfehler - ist schon erstaunlich, in welchen Variationen man Tagliatelle schreiben kann.
Als meiner Nachbarin dann die Texas- oder Steakpfanne serviert wurde, war mir angesichts grauer Bohnen und Formfleischministeaks schlagartig klar, woher ich die Speisekarte kenne: Aus der Tiefkühltruhe.
Die Zutaten aus biologisch-gesundem Anbau, kein Convenience, kein Fastfood, entpuppten sich also als TK-Beutel, aufgeschnitten, auf Teller gefüllt, in die Mikrowelle gestellt, mit Salat und Kapuzinerblüte verziert und den Gästen vorgesetzt. Mein Hähnchencurry war noch durch eine süß-scharfe Asia-Sauce verfeinert, und vermutlich war da jemand richtig kreativ, denn ich fand darin auch Wasserkastanien. Na ja, oder vom Wokgemüse war noch ein Rest übrig, der weg musste. Eine Gurke (was hat die eigentlich im Curry zu suchen?) war sogar noch gefroren. Mein erster Impuls war, das Essen ist von Frosta, aber das Essen im
Frosta-Bistro ist um Klassen besser.
Ich bin mit TK-Kost und Dosenfutter aufgewachsen, ertrage klaglos die Fix-Küche meiner Schwiegermutter, aber das hier war zu viel.
Einige von uns fragten die Kellnerin, ob das Essen TK-Ware war. Ohne mit der Wimper zu zucken, räumte sie unsere noch immer fast vollen Teller ab und antwortete im Gehen: "Ja, wieso? Das machen wir schon seit fünf Jahren so. Steht irgendwo, dass wir frisch kochen? Dann sind Sie bei uns falsch. Wir sind ja nur ein Café, kein Restaurant. Wir haben keine Küche."
Gut, wir hielten dann jede weitere Diskussion für überflüssig. Und ja, doch, sie hat ja auch Recht. Es steht ja nirgendwo, dass sie frisch kochen. Dass wir aus der Aussage "kein Convenience und Fastfood" schlussfolgern, dass frisch gekocht wird, ist unser Problem. Na ja, und bevor das Essen in die TK-Beutel kam, hat es ja auch mal irgend jemand irgendwann irgendwo frisch gekocht ...
Nur das mit dem biologisch-gesundem Anbau bekomme ich noch nicht auf die Reihe. Wäre der nächste Aldilidlpennyplus fussläufig erreichbar, würde ich sagen, die Speisenrohstoffe sind biologisch-gesund, weil die TK-Beutel zu Fuß oder mit dem Rad eingekauft werden, aber in der Umgegend ist weit und breit kein Discounter ...
Fussläufig erreichbar war dann aber das
Ti Breizh, das wir ansteuerten. Man war etwas irritiert, dass wir uns zu sechzehnt um einen Achter-Tisch quetschten, aber wir waren froh, was Richtiges zu essen zu bekommen. Bei Crêpes und Kaffee ließen wir es uns dann gut gehen.
Nur ins Fleetschlösschen werde ich so schnell nicht mehr gehen, es auch nicht mehr meinen Gästen empfehlen. Und dabei habe ich die dreckigen Tischdecken und die nachlässig abgedeckte, ungekühlte Sahnetorte neben der Wendeltreppe noch gar nicht erwähnt ...