Teil einer Plastik von Tom Murphy zur Erinnerung an die über 4.000 Opfer der deutschen Luftangriffe auf Liverpool und Bootle zwischen 1940 und 1942. |
Das Zitat stammt aus der Ausstellung "The Children's War", die noch bis Januar 2012 im Imperial War Museum (IWM) in London läuft. Normalerweise sorgt der Gatte dafür, dass ich im Urlaub keine Orte oder Ausstellungen besuche, die auch nur ansatzweise mit der NS-Zeit zu tun haben, da ich einen Teil meiner Brötchen mit der Erinnerung an diese Zeit verdiene - überwiegend mit Briten und Amis, die auf den Heritage Tour durch Deutschland reisen. Der Gatte findet halt, ich soll im Urlaub abschalten. Aber da er beim letzten Besuch ins IWM wollte, kam ich mit. Die Children's War-Ausstellung berührte mich, und so besuchte ich sie diesmal erneut, als der Gatte wieder ins IWM wollte, um irgendeinen Lorbeerkranz von Kaiser Wilhelm zu sehen.
Die Rationierung von Lebensmitteln, Schuhen, Bekleidung, Kohle, Gas, Elektrizität und Seife (weil man die Öle und Fette für Nahrungsmittel brauchte) wurde in Großbritannien 1940 eingeführt und endete im Sommer 1954. Im letzten Jahr überlegte ich mehrfach, kurz nach London zu fliegen, um die Sonderausstellung "The Ministry of Food" zum 70. Jahrestag der Rationierungen zu sehen, aber es ging sich einfach nicht aus. Den Ausstellungsblog habe ich sehr interessiert gelesen und einige, öhm, ich sage mal, interessante, Aktionen wie diesen Versuch, sich von den Rationen zu ernähren oder The 1940's Experiment,um abzunehmen, zur Kenntnis genommen.
Herzstück der Children's War-Ausstellung ist die Replik eines Hauses aus den 1940er Jahren, das in Kent stand. Es ist ein vergleichsweise modernes und komfortables Haus, insbesondere wenn man bedenkt, dass viele Menschen, vorallem in den Großstädten, in beengten, slumähnlichen Verhältnissen lebten, ohne Bad, mit Toilette auf dem Hof. Beim Gang durch das Haus erfährt man viel über das Leben und den Alltag der Kinder, aber auch der Erwachsenen, im Krieg; die Evakuierung auf's Land, was für manche Großstadtkinder neben der Trennung von den Eltern auch ein Kulturschock war; das Leben unter deutscher Besatzung auf den Kanalinseln; die Transporte deutsch-jüdischer Kinder nach England; die Situation in den Bunkern; das neu beginnenende Leben nach dem Krieg; die Situation von Vätern oder erwachsenen Brüdern an der Front uvm. Dabei liegt der Focus nicht nur auf der Situation in Großbritannien. Es kommen genauso Kinder aus Deutschland und den von Deutschland besetzten west- und osteuropäischen Ländern zu Wort. Ein Augenmerk liegt außerdem auf der Situation außerhalb Europas.
Man betritt das Haus quasi durch die Küche.
Küche links. |
Küche rechts. |
Produkte aus den 1940er Jahren wie Camp Coffee, Oxo Cubes, Obst und Gemüse in Dosen und das Ration Book, in dem die Marken für Lebensmittel, aber auch Schuhe und Kleidung waren. |
Bedrückend fand ich beim ersten wie auch beim zweiten Besuch den Morrison Shelter, benannt nach dem Minister for Home Security, Herbert Morrison. Der Bunker wurde in Häusern bzw. Wohnungen ohne Keller aufgebaut, oft im Esszimmer, sofern vorhanden. Nachts wurde darin geschlafen, und tagsüber wurde er als Esstisch genutzt. Mit einer Länge von 2 Metern, einer Breite von 1,20 Metern und einer Höhe von 75 cm fanden teilweise sechs Menschen in ihm Schutz vor deutschen Bomben. Geliefert wurde der Bunker als Bausatz mit 359 Teilen und drei Werkzeugen.
Morrison-Shelter. |
Diesmal bedrückte mich am meisten die Schilderung eines diabetischen Schulkindes, das auf den von Deutschen besetzten Kanalinseln lebte. Diabetiker konnten kriegsbedingt kein Insulin bekommen, wodurch alleine auf den Kanalinseln 60 Menschen starben. Maurice Green überlebte durch folgende Strategie: "Every day I dug up the garden which made me burn energy. I didn't eat any carbohydrate or starch. I took a morning job for which I was paid in eggs and the odd piece of pork. I ate dandelions and roots and lost a lot of weight."
Ich wünschte mir, in Hamburg gingen Ausstellungsmacher ähnlich sensibel und vielschichtig mit dem Thema um. Viel zu oft werden die fehlenden finaziellen Mittel angeführt. Viel zu oft braucht es die gar nicht. Aber Ideen und den Mut, sie umzusetzen.
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