Als kulturelle Bordsteinschwalbe höre ich von älteren Gästen immer wieder die Klage, es gäbe in Hamburg keine richtigen Cafés mehr. Solche, so wie früher, als der Coffee noch nicht im Pappbecher aus Togo kam, sondern schwarz und stark im Kännchen - nur draußen. Solche, wo die Kellner und Kellnerinnen noch schwarz-weiß gekleidet und von den Gästen zu unterschieden sind. Solche, die schön plüschig sind. Solche, wo man bei Zeitungslektüre den Tag vom Frühstück über die Sahnetorte bis zum Abendbrot verbringen kann ...
Ich habe diese Klage noch nie verstanden, denn es gibt doch beispielsweise das Wiener Café Wirth und die Rösterei (hier erwische ich mit Glück die Schicht meines Lieblingskellners, der so weanerisch ist, dass sie ihn bestimmt täglich einfliegen lassen).
Seit gestern habe ich eine neue Kaffeehausruheinsel, allerdings eine mit einem Wermutstropfen: Klein und Kaiserlich in der Hafencity. Schon oft bin ich an dem Laden vorbei gegangen, aber es bedurfte eines trübregnerischen Tages, dass der Laden mir auch tatsächlich auffiel - und einer Begleitung, die sich weigerte, in einen der leeren Läden, die wir vorher passierten, zu gehen, denn: "Wenn da niemand drin sitzt, taugt das nix." Was ein Glück, dass hier gerade ein Tisch frei wurde ...
Das Café ist wirklich ein kleines Schmuckkästchen: Die Wände sind mit grünglänzenden Tapeten bespannt und mit Goldleisten abgesetzt, über die Besucher wachen Franzl und Sissi, das Mobiliar mit Thonet-Stühlen entspricht dem klassischen Kaffeehaus, Kronleuchter beleuchten dezent, auf der Kommode auf der Galerie liegen Magazine, die Zeitungen an der Garderobe fehlen ebenfalls nicht, und der Kaffee kommt von Meinl. Unten ist ein Sehen-und Gesehen-werden-Bereich, auf der Galerie kann man sich zum tête à tête oder zum Zwiegespräch zurückziehen und dabei auf die Elbe blicken. Die Atmosphäre ist entspannt, die Bedienung nett, freundlich und flink.
Absolut lohnend ist auch der Besuch bei "Tante Meyer": Hier sind die Tapeten goldglänzend-gestreift, wacht Sissi über die Geschäftstüchtigen, ist die Keramik von Villeroy & Boch. Und blitzsauber ist es zudem. Fehlen nur noch Stoffhandtücher, dann wäre es wirklich stylish.
Apropos Stil - kommen wir zum einzigen, aber gewichtigen Kritikpunkt, zum Wermutstropfen: Irgendwie geht es gar nicht, dass ein Lokal, das sich als Wiener Kaffeehaus versteht und "feinste Mehlspeisen" verspricht, Tiefkühltorte von Schöller serviert, wie die Gebrannte Mandel-Torte. Da müsste sich eigentlich schnellstens die Task Force der Wiener Bäckerinnung in Bewegung setzen ... Demel, hilf! Sacher, schmeiß Torte!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Ein Kommentar, wie schön! Ich bemühe mich, alle Kommentare zu beantworten. Allerdings kann das manchmal etwas dauern - das Leben neben dem Blog, Du verstehst. Wenn Du Dich durch eine Sicherheitsabfrage quälen musst oder der Kommentar erst moderiert wird, heißt das, dass es gerade viele Spamkommentare gibt. Last but not least: Ich behalte mir vor, einzelne Kommentare zu löschen.