Rundstück warm - na ja, strenggenommen ein Brötchen mit Bratenresten und Sauce. |
Unter einem Rundstück versteht der Hamburger ein Brötchen - nicht irgendeines, sondern ein Weizenbrötchen ohne Einschnitte, das auch nicht rund ist, sondern oval. Eigentlich müsste das Rundstück unter Naturschutz gestellt werden, denn immer weniger Bäcker haben es noch - und die, die es haben, nennen es oft nicht Rundstück, sondern Schrippe. Schockschwerenot! Da klauen uns die Berliner erst die Currywurst und dann das Rundstück! Lasst uns einen Verein zur Rettung des Rundstücks gründen! Denn ohne Rundstück ist ein Rundstück warm eigentlich nur ein Brötchen mit Braten und Sauce - und genau das gab's bei uns jüngst zum Abendessen. "Ich hab' total vergessen, wie lecker das ist", schmatzte der Gatte glücklich. Stimmt. Auch ich aß Rundstück warm zuletzt als Kind. "Wenn wir das nächste Mal Braten übrig haben, müssen wir das unbedingt wieder machen", verlangte der Gatte, und ich stimmte mit vollen Backen zu.
Rundstück warm ist ein Klassiker der Resteverwertung, und wie bei vielen guten Klassikern gibt es zur Entstehung verschiedene Geschichten. Es gibt Hinweise, dass die ersten warmen Rundstücke von Bäckereien und Fleischern schon nach dem Dreißigjährigen Krieg verkauft wurden, meistens montags, wenn vom Sonntagsbraten Fleisch- und Saucenreste übrig waren. Noch 'n büschen Saure Gurke und Tomate dazu, und fertig war ein leckerer Imbiss, der sich gut transportieren ließ - so gut, dass ihn die Menschen, die über Hamburg nach Amerika auswanderten, als Reiseproviant mitnahmen. In den preiswerten Zwischendecks mussten sich die Passagiere in der Anfangszeit der Auswanderungsreisen nämlich noch selbst verproviantieren. Sie gaben dem Gericht den Namen des Ortes, wo sie es kennenlernten, und so entstand vermutlich der Hamburger.
Ziemlich parallel gibt es auch die Zubereitungsweise mit einem Hackfleischklops aus Beefsteak. Auf der Weltausstellung 1904 wurde so ein Sandwich unter dem Namen „Hamburg“ verkauft. Alternativname war „Hamburger Stück“, woraus „Hamburger Steak“ wurde. Aber andererseits taucht schon 1842 der Begriff „Hamburger Steak“ in einem amerikanischen Kochbuch auf. Zwischen zwei Brotscheiben gelegt, wurde aus dem Hamburger Steak ein Hamburger Sandwich. Einer anderen Theorie zufolge ging 1885 auf einem Jahrmarkt in der Nähe der Stadt Hamburg bei Buffalo im US-Bundesstaat New York einem Imbisstand den Menches-Brüdern der Hot Pork, also Schweinebraten, aus. Sie nahmen stattdessen Rindfleisch, das sie wolften und mit braunem Zucker, Kaffee und allerlei Gewürzen mischten. Jahre später eröffnete die Familie ein Restaurant in Akron, Ohio, wo es noch heute Hamburger nach dem Originalrezept gibt. Nach Hamburg und nach Deutschland kam der Hamburger dann nach dem Zweiten Weltkrieg mit den GIs, und heute ist er in aller Munde.
Noch sind wir nicht beim Hamburger. Noch sind wir beim Rundstück warm. Dessen Ursprung könnte auch auf der Reeperbahn liegen, in der Deutschen Weinhandlung, wo drei Hafenarbeiter im Winter 1890 warmen Schweinbraten essen wollten. Wirt Rober Renning kam, warum auch immer, auf die Idee, den Braten kalt und die Sauce warm zu servieren, reichte Brot, Saure Gurken und Tomate dazu und gab allem dem Namen Rundstück warm. Nach Renning übernahm Heinrich Heckel das Lokal und reklamierte die Erfindung für sich.
Egal, wer's erfand: So'n Rundtsück warm ist ausgesprochen lecker und deswegen mein Beitrag zu Heikes Butterbrot-Event.
Rundstück warm
Zutaten für 1 Portion:
1 Rundstück
1 - 2 Scheiben Braten vom Vortag
Bratensauce, ebenfalls vom Vortag, ggf. verdünnt, falls sie schon zu sehr nachdickte
1 Saure Gurke, in Scheiben geschnitten
1 Tomate, in Scheiben geschnitten
Zubereitung:
Die Bratensauce langsam erwärmen. Wir geben auch die Bratenscheiben in die Sauce, aber Traditionalisten schwören auf den Kontrast von warmer Sauce zu kaltem Braten und servieren das Fleisch kalt.
Das Rundstück aufschneiden, die untere Hälfte auf einem Teller platzieren, mit Braten belegen und die Sauce darüber geben. Mit der oberen Brötchenhälfte bedecken,mit Gurke und Tomate sowie extra Sauce servieren. Ist genügend Sauce da, wird das Brötchen richtig damit getränkt und richtig lecker.
Beim Lesen der Hintergrundinfos hätt ich wirklich gern in ein Rundstück warm gebissen. Trotz der frühen Uhrzeit :)
AntwortenLöschenOh, das schmeckt auch phantastisch zum Frühstück ;o)
LöschenMir ging es da wie Heike und jetzt hab ich Hunger! Interessant wie es oft viele Wege zur Geschichte eines gerichtes gibt
AntwortenLöschenLiebs Grüessli
Irene
Beim nächsten Bratenrest einfach ausprobieren ;o) Liebe Grüße zurück in die Schweiz!
LöschenEs ist schon irritierend, wenn man selbst im plattdeutschen Backhaus (Backhus) "Semmeln" (!) aber keine Rundstücke bekommt. Ich halte es auch für eine gute Idee das Hamburger Rundstück unter das UNESCO Welt-Back-Erbe zu stellen.
AntwortenLöschen"Rundstück Warm" gab's in unserer Großfamilie bevorzugt zu den großen Familienfesten. Reste blieben dabei nie übrig. Allerdings wurde die Scheibe Schweinebraten mit Bratensoße auf eine dicke Scheibe Weißbrot auf einem Teller serviert. Das konnten wir als Kinder besser in unsere kleinen Münder befördern ohne uns die Kiefer auszurenken. Mama hatte dann auch weniger vollgekleckerte Hemden und Tischdecken zu waschen.
Rundstück Warm,
AntwortenLöschenkannte ich als "Ruhrgebietsblach", aufgewachsen in den frühen Sechzigern, immer von meiner Oma aus Schleswig-Holstein! Gab es öfter wenn wir in den Ferien dort zu Besuch waren.
Ja, da gab es noch beim ortsansäßigem Bäcker Rundstücke, selbst gebacken ohne Backmischung! Er hatte nur wenige Sorten an Brötchen, aber die waren gut, wenn auch nicht so wohlklingend wie den ganzen "Backmüll" den jede Industriebäckerei feil bietet!
Rundstück warm, mit Braten und Soße vom Vortag ist verloren gegangen, weil es keine vernünftigen Rundstücke mehr gibt, Schade!
Obwohl ich selber ein begeisterter Koch bin, mag mir jemand verraten, wo ich bei einem eventuellen Hamburgbesuch denn das beste Rundstück Warm in der Hamburger Gastronomie finde?
AntwortenLöschenDas echte Rundstück war wirklich rund. Als Kind wurde ich von meiner Mutter zum Bäcker um die Ecke (den es schon lange nicht mehr gibt) geschickt um diese Brötchen zu kaufen. Sie hatten nach meiner Erinnerung einen Durchmesser von etwa 8 - 10 cm und waren ohne Einschnitte, Körner oder sonstige „Verzierungen“.
AntwortenLöschenIn letzter Zeit habe ich (durch dieses Rezept angeregt) selber auch Rundstück warm zubereitet. So wie ich es von meiner Oma kannte. Die Rundstücke habe ich selbst gebacken. Nachdem ich ein gutes Rezept gefunden hatte, ging's ganz gut. Das mit dem Braten vom Vortag war mir neu. Ich kann mich wirklich nicht erinnern wie Oma es damals gemacht hat. Bin ja auch bereits über 70. Auf jeden Fall ist es richtig lecker.
AntwortenLöschenDie Geschichte dazu kannte ich noch nicht, ist aber wirklich interessant.
Vielen Dank für die Inspiration.
Es gibt ja noch mehr alte Hamburger (oder Altonaer) Rezepte. Werd' mal weiter suchen.