Die oberste Etage: Chocolate Dacquoise, Millefeuille, Lychee and Rosewater Macaroons und Meringue Chantilly. |
G., mit dem wir uns im Haché trafen, fand es etwas befremdlich, dass wir Afternoon Tea im Ritz buchten. Aber mir war einfach danach, mal wieder einen Anlass zum Aufbrezeln (und das bedeutet der Ausdruck "putting on the Ritz") zu haben, mit
Der Ort des Geschehens: Palm Court. |
Putzigerweise fanden wir uns dann overdressed oder anders gesagt: "Die Toiletten gehn gar nicht. Die Frau in Rot da vorne sieht aus, als könne man sie kaufen." - "Na, Du bist ja reizend drauf." - "Ist doch wahr. Und guck' mal die in der grellgrünen Jacke." - "Ja, apart. Besonders wegen der rosa Nachbarin. Das schmerzt in den Augen." - "Meine Güte, die Kleider haben schlimmere Muster als Siebziger-Jahre-Gardinen. Warum tragen die kein fröhliches Schwarz?" - "Hm. Und ich bin der einzige mit Blazer. Guck mal, der da trägt sogar Jeans, wenn auch schwarze." - "Geht gar nicht. Deine Mutter würde hyperventillieren. Und erst die Leggings mit dem weißen Hängerchen. Sesam und Gomerra!" - "Und außer mir trägt auch keiner eine Club-Krawatte." - "In der Kleiderordnung steht ja auch black tie. Dein tie ist blue. Hey, streck' mir nicht die Zunge raus, das ist nicht Ritz-like!"
Die Köstlichkeiten kommen etagenweise. Der mittlere Teller wird später mit Scones gefüllt, Clotted Cream und Strawberry Preserve stehen schon auf dem Tisch bereit. |
Serviert wird im Palm Court des Hotels, unter Lüstern, inmitten von Stuck und Gold. Nur Palmen habe ich keine gesehen - ähm, ich korrigiere: Beim Sichten der Privatfotos stellte ich gerade fest: Wir saßen unter einer. War mir irgendwie entgangen. Die Zeit plätscherte ausgesprochen angenehm dahin wie die Klaviermusik im Hintergrund. Der Gatte, der befürchtete, es gäbe Ikebana auf dem Teller, hatte ein Augustenfelder-Platte-Erlebnis: Der Afternoon Tea ist nämlich eine All-you-can-eat-Veranstaltung, mit dem Unterschied, dass fast alle so gut erzogen sind, nicht ständig nachzunehmen. Das Essen ist mehr als ausreichend. Wir wurden ausgesprochen gut umsorgt - die Kellner hatten mit uns genauso viel Spaß wie wir an der ganzen Veranstaltung. Wir hatten auch den optimalen Platz, um das Kellnerballett ungestört zu beobachten.
Lemon Posset. Bot als einziges Grund zur Beschwerde: Die Chocolate Disc fehlte. Nein, ich scherze. War auch ohne Chocolate Disc gut. |
Damit auch garantiert niemand mit einem Hungergefühl nach Hause rollt, gibt es zwischendrin Lemon Posset, eine Zitronencreme mit Himbeersauce, und Victoria Sponge oder Dundee Cake, also einen Biskuit mit Erdbeer- und Buttercremefüllung oder eine Art Früchtekuchen. Auch hier kann man sich jeweils nachnehmen - wenn man es denn kann. Es gibt wohl tatsächlich auch Gäste, die sich die left overs einpacken lassen: Als wir ins Ritz schlenderten, kam uns eine Kleingruppe mit einem Riesenkarton entgegen, doppelt so groß wie ein Tortenkarton, aber augenscheinlich nicht so schwer.
Irgendwann ertönte dann "Happy Birthday" auf dem Klavier, marschierte das Kellnerballett auf, um an vielen Tische Geburtstagskuchen zu servieren, auch an unserem. Zu dem Zeitpunkt hatten wir schon
Celebration Cake: Fondant, Biskuit und eine Füllung aus Buttercreme, Himbeeren und Mango - köstlich. |
Victoria Sponge. Vom Dundee Cake gibt es kein Foto, da wir beide den gleichen Kuchen wählten. |
Servieren von Victoria Sponge und Dundee Cake. |
Von Irving-Berlin-Lied "Puttin' On the Ritz", durch das der Slang-Ausdruck bekannt wurde, gibt es drei Fassungen (und unzählige Interpretationen): Die wenig bekannte von 1929/1930, gesungen von Harry Richman in dem Musical "Puttin on the Ritz" (unten in zwei Qualitäten); eine aus dem 1939 veröffentlichten Film "Idiot's Delight" mit Cary Cooper; und die bekannte von Fred Astaire aus dem 1946 veröffentlichen Film "Blue Skies". Für die letzte Fassung wurde ein neuer Text geschrieben. Es lohnt sich also, genau hinzuhören.
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Sabine, ich habe mich beim Lesen köstlich amüsiert, fast als wäre ich dabei gewesen. Danke!
AntwortenLöschenHaha, ganz im Ernst, bei unserer Tea Time in London hatten wir so eine Schwiegervorstellung direkt neben uns ablaufen: Der Zukünftige in spe saß neben Schwiegermutter mit Tochter zu Tisch und wurde vernommen, wie er sein Leben denn die nächsten mindestens 50 Jahre zu verleben gedenke. Ich habe nicht in seiner Haut stecken mögen!
AntwortenLöschenGerne, Zorra!
AntwortenLöschenBei uns saß der Anwärter neben dem Gatten, und der war zu dezent, um zuzuhören und mir das Gespräch wiederzugeben ... Nur als der Anwärter es wagte, sich auszuziehen und angewiesen wurde, sich wieder anzukleiden, kommentierte er: "Rauhe Sitten! Kommandoton!" War also vermutlich wie bei Dir, Schnick.
Tolle Sause! Sowas würde mir sicherlich auch Spaß machen. So richtig aufgebrezelt macht es auch viel mehr Spaß, denke ich.
AntwortenLöschen@ nata,
AntwortenLöschenaufbrezeln ist was Feines, nich? Ich finde auch immer: Lieber overdressed als underdressed.