Freitag, 16. September 2011

London calling 2011: Chin Chin Labs

Madagaskar-Vanille mit gerösteter weißer
Schokolade und Karamell-Meersalz-Sauce.
"Und was ist an diesem Eis nun so toll?" grumpfelt der mümmelnde Gatte, der ungehalten war, weil er eine gefühlte Ewigkeit auf seinen Eisbecher warten musste. - "Na ja, es ist komplett ohne Kristalle, es hat die perfekte Konsistenz, ist weder zu fest noch zu weich, und es ist lecker, nich?" - "Hmmmm." Ein paar Minuten später fragt er: "Sachma, wo krich ich eigentlich Stickstoff her?" Zwei Tage später schlug er dann selbst vor, mal eben nach Camden zum Eisessen zu fahren. Tage später, als er sieht, dass ich an diesem Blogbericht tippsle, meint der Gatte: "Das war wirklich geil! Das hat mich beeindruckt!" Hab' ich's mir doch gedacht.

Dass ich Eis auf Stickstoff-Basis sehr verlockend lecker finde, wusste ich schon aus dem Mok-Kurs, und so landete Chin Chin Labs kurz nach der Eröffnung auf meiner Reiseliste. Der Gatte, solchem Gedöns gegenüber spontan eher weniger aufgeschlossen, kam zunächst widerwillig mit. Der Deal war: Ich darf zu Chin Chin, wenn er zu Cyberdog darf. Nur wusste ich, dass er bei Chin Chin mehr Spaß hat als ich bei Cyberdog. Wobei: Wenn die Cyberdogs den Wackelkontakt in der Beleuchtung beheben und hörbare Musik hätten, könnte das ein schöner Laden sein. Ja, ich bin spießig, ich weiß. Allerdings gibt's bei Cyberdog putzigen Foodie-Schmuck: Donuts, Eistüten, Zuckerherzen, Kekse ... Zum Umhängen oder Am-Ohr-baumeln-lassen. Oder Haushaltswaren. Ich schweife ab ...

Britisches Understatement: Chin Chin ist
schwer zu finden, zumindest an einem
verregneten Dienstag. Die Werbeschilder
im Hintergrund gehören schon zum
nächsten Geschäft.
Chin Chin in den Camden Stables hätte ich fast übersehen. Zum Glück steht auf der Homepage: "Lookout for the swings outside the shop." Die Schaukeln sah ich dann auch als erstes. Wobei die Menschenschlange, die am Wochenende vorm Laden auf das Eis wartet, kaum zu übersehen ist. Der Laden ist winzig. Die Inneneinrichtung erinnert an Muppets Lab von Dr. Bunsen Honeydew aus der Muppet Show, nur Beaker fehlt. Jedenfalls der aus der Muppet Show. Richtige Beaker, also Bechergläser, sind da, denn in ihnen werden die Toppings und Saucen präsentiert. Pipetten zum Sauceauftröpfeln sind ebenfalls da. Lampen, Schränke, Tresen. Regale usw. sind am Metallrohren befestigt, was den Laborcharakter noch verstärkt.

Eisherstellung auf Stickstoffbasis ist eine sehr schnelle und gleichzeitig sehr schonende Methode. Die flüssige Eisbasis wird in kürzester Zeit auf minus 195,79°C abgekühlt und friert rascher als in einer Eismaschine. Ahrash Akbari-Kalhur und seine Frau Nyisha Weber, die Chin Chin im letzten Jahr eröffneten, beherrschen ihr Handwerk und haben Spaß daran, es zu erläutern. So nimmt sich Akbari-Kalhur Zeit, genau zu erklären, was er gerade macht. Dadurch gibt's natürlich eine etwas längere Wartezeit, aber Eis aus Stickstoff ist auch großes Kino. Bei unserem zweiten Besuch fragte er, ob wir schon mal da waren. Als wir bejahten, entschuldigte er sich, dass er sich nicht an uns erinnere, weil an den Wochenenden so viel los sei. Süß.
Blick in den wirklich winzigen Laden. Vorne, wo die Löffelstiele sind, ist der Tresen, dahinter eine handtuchschmale Fläche zum Eismachen. Vorm Tresen ist auch nicht mehr Platz.
Es gibt zwei Grundsorten: Valrhona-Schokolade (Carïbe 66 %) und Madagaskar-Vanille. Im wöchentlichen Wechsel eine dritte Sorte. Bei unserem ersten Besuch war's Jaffa Cake, beim zweiten Orange Bay Leaf Sorbet, zurzeit ist es Blueberry Buttermilk Pancake. Bickbeere. Buttermilch. Pfannkuchen. Ich hyperventiliere. Wann geht eigentlich der nächste Flieger? Oder gibt es einen Flug-Lieferservice? Ich meine, haaallooo, es gibt doch auch Flug-Mangos, warum dann kein Flug-Eis?. Ich schweife schon wieder ab ... Zum Sorbet erklärte Akbari-Kalhur, dass es sein erster Versuch sei, dass er damit noch experimentiert, die Fruchtsaft-Basis für Stickstoffeis nicht so gut geeignet sei wie die übliche Sahne-Milch-Basis.

Hast Du Dich für eine Eissorte entschieden, macht Akbari-Kalhur das Eis frisch vor Deinen Augen.
Die flüssige Schokoladen-Eisbasis wird in die Kitchen Aid gefüllt.
Der Stickstoff wird in eine Thermoskanne gefüllt.
Der Stickstoff wird aus der Thermoskanne in die Rührschüsseln zur flüssigen Basis gefüllt. Jetzt noch die Rührschüssel ein paar Mal kreiseln lassen, dann ist das Eis auch schon bald fertig.
Des Gatten Schokoladeneis wird in einen Becher gestrichen, während mein Vanilleeis noch ein wenig kreiselt.
Mein Vanilleeis ist fertig (siehe Bild ganz oben rechts).
Dann gehst Du drei Schritte weiter, wählst aus Toppings (Honigwaffeln, Haselnuss-Krokant, geröstete weiße Schokolade, irgendwas mit Heideblüten und noch ein, zwei, die ich vergaß) und drei Saucen (Schokolade, Himbeer, Karamell-Meersalz) je eine aus, und Weber perfektioniert Dein Eis. Bezahlen (3,95 £ / Portion, nicht zu viel angesichts Portionsgröße und Qualität, finde ich), und dann steht dem Schlecken nichts mehr im Weg. Für die, die kein Eis mögen, gibt es irgendwas Keksiges oder Kuchiges (sorry, darauf habe ich nicht geachtet, denn: Wie kann man kein Eis mögen?!). Außerdem gibt es Tee, Kaffee und verschiedene Getränke.
Orange Bay Leaf Sorbet mit Himbeersauce und gerösteter weißer Schokolade. Die Orange-Lorbeer-Kombi ist lecker. Das Sorbet war wie versprochen schön schmelzig und angenehm unsüß.
Ergebnis des Besuchs ist, dass ich keine Eismaschine mehr haben möchte, was den Gatten aufatmen ließ. Ich bin ganz bescheiden. Eine Kitchen Aid und Stickstoff reichen mir. Und: Hamburg fehlt ein Chin Chin Lab. Ganz klar.

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2 Kommentare:

  1. wenn du eine Quelle aufgetan hast wo man legal Stickstoff bekommt, ich meine als unbescholtener Bürger, lass es mich bitte wissen...

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