
Jetzt ist es also da. „Jamies 30 Minuten Menüs“, erschienen bei Dorling Kinderley, München 2010, 287 Seiten. Die folgenden Zitate stammen alle aus dem Buch. Daraus werde ich nun also mindestens vier Wochen lang jede Woche ein Gericht bloggen. So will es die
Vereinbarung mit lovelybooks.
Dann schauen wir mal.
Der erste Eindruck: Wow, für den Preis (24,95 €) ein gebundenes Kochbuch mit Schutzumschlag – ich hätte mit einem Paperback gerechnet. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich mir in der letzten Zeit Kochbücher direkt aus UK bestellte, was sie teurer macht. Schutzumschläge bei Kochbüchern finde ich allerdings unpraktisch, die fliegen meistens irgendwo rum. Außerdem mag ich Bücher mit Patina. Aber im Regal macht es sich bestimmt gut, das Buch.
Der zweite Eindruck: Beim Aufschlagen erwische ich einige Seiten zu viel und sehe als erstes einen Nachruf auf einen Freund. Okay, kann man machen. Hätte ich sicher auch gemacht. Aber am Endes des Buches, bei den Danksagungen. Immerhin erfahre ich hier schon, dass „an allen Ecken und Enden Küchenmaschinen und Standmixer im Einsatz“ sind. Stünde ich jetzt in der
Buchhandlung, wäre meine Kaufentscheidung wohl schon jetzt gefallen – gegen das Buch. Ich habe weder Standmixer noch Küchenmaschine und werde mir beides in absehbarer Zeit nicht kaufen. Vielleicht sollte das Buch lieber im Elektromarkt als in der Buchhandlung liegen?
Der dritte Eindruck: Die Menü-Übersicht. Zu bunt, zu unübersichtlich. Ich blättere schnell weiter. Zum Glück gibt es hinten noch ein alphabetisches Register - lesbar.
Der vierte Eindruck: Der Knabe nimmt den Mund ziemlich voll, verspricht er doch, zu zeigen, „wie es geht, in nur 20 – 30 Minuten – fast der gleichen Zeit, die es dauert, ein Fertiggericht im Ofen warm zu machen oder etwas vom Schnellimbiss zu holen – ein köstliches Menü auf den Tisch zu bringen: mit genialer Planung und blitzschneller Umsetzung.“ Gerade unter der Woche, wenn’s schnell gehen soll, so das Versprechen.
Und da liegt der Hase im Pfeffer. Als ich mich anmeldete, dachte ich, es ist wirklich ein Essen, das in 30 Minuten zubereitet wird. Aber das ist Augenwischerei. Die Zeit wird erst ab mise en place gemessen und wenn schon alle Töpfe heiß sind. Mit einem schnellen Essen nach dem Sport, wie ich es dachte, wird es also nichts. Die Rechnung, dass Selbstgekochtes genauso schnell ist wie Tüte / Fertiggericht, geht so nicht auf. Dabei geht sie auf, wenn man ein Gericht macht, kein Menü, wie das Projekt "Kochen ohne Tüte" von
Foodfreak und
Küchenlatein zeigt (und der gesunde Menschenverstand es einem sagt).
Oliver schreibt: „Mit diesem Buch möchte ich Sie auf ein Niveau bringen, auf dem Sie sich (…) richtig gut und mit Stil bekochen können, ohne viel Zeit zu investieren.“ Meine Kocherfahrung und meine Skepsis sagen mir: Das wird so nicht klappen. Wenn ich eine TK-Pizza in den Ofen schiebe, habe ich, selbst ohne den Ofen vorzuheizen, in max. 25 Minuten ein Essen auf den Tisch stehen. Mise en place entfällt. Klarschiff machen geht schnell: Schmutziger Teller in die Spülmaschine, Plastikfolie in den Müll, Karton ins Altpapier, fertisch. Vorsichtig geschätzt, werde ich für die 30-Minuten-Menüs die gleiche Zeit an Vor- und Nachbereitung brauchen. Aber vielleicht täusche ich mich.
Und wieso soll ich unter der Woche ständig drei Gänge kochen? Himmel, ich habe inzwischen vierzehn Kilo abgenommen (okay, zugegeben, das ist bei meinem Gewicht wie ein Prozent Rabatt auf den Kaufpreis eines Maseratis, aber trotzdem), und jetzt soll ich diese Unmengen Essen kochen und – zwangsläufig – essen? Bevor ich zum fünften Eindruck komme, frage ich besser mal schnell Schwiegermutter, wie ausgelastet ihr Tiefkühler gerade ist und ob sie die nächsten vier Wochen von uns durchgefüttert werden will.
Der fünfte Eindruck: Die Menü-Zusammenstellungen sind teilweise sehr merkwürdig, wenn man wie ich saisonal kocht - oder die Saisonuhr auf der Insel tickt anders. Miesmuscheln mit Rhabarberkuchen zum Dessert klappen bei mir nicht - da liegen mindestens 6 Monate dazwischen, außer, es ist ein sehr kalter April. Das Gleiche gilt für gegrillten Chicorée, gefolgt von Himbeer-Trifle oder Sommerpasta, gefolgt von Birnentörtchen und div. andere Gerichte. Wenn man schon den Anspruch hat, die Leute in die Küche zu bringen, sollte man ihnen auch Saisonalität vermitteln und nicht, dass alles immer verfügbar ist.
Damit wir uns richtig verstehen: Ich könnte die Miesmuscheln mit dem Rhabarberkuchen machen, denn ich habe aus dem Frühling noch Rhabarber eingefroren. Aber ich werde es nicht machen - als Bloggerin hat frau ja schließlich einen Erziehungsauftrag, politisch-gesellschaftliche Verantwortung und
Macht ;o) Aus dem Rhabarber wird entweder Sirup oder eine Beilage zum Huhn, und gebloggt wird's nächstes Frühjahr.
Der sechste Eindruck: Viele Gerichte sind sehr fleischlastig. Wozu brauche ich zu einem Hähnchen einen Hacksalat als Beilage? Oder eine Wurstschnecke zu einem Schweinefilet? Unser Fleischkonsum zerstört Regenwälder, sorgt in anderen Teilen der Welt für Hungersnöte, ist schlecht für die CO2-Bilanz, und Fleisch ist im Vergleich zu anderen Lebensmitteln viel zu billig zu haben … Dass Oliver dafür plädiert, möglichst Schweinefleisch aus artgerechter Haltung von einem guten Metzger zu kaufen, macht die Sache nicht besser. Außerdem essen wir kaum Schweinefleisch. Und wenn man seine „Worte über Zutaten“ wörtlich nimmt, müssen nur Hähnchen und Schweine aus artgerechter Haltung kommen. Bei Lamm und Rind ist es anscheinend egal, denn die werden da nicht aufgeführt. Aber im Folgenden verkocht.
Der siebte Eindruck: Die Liste mit den Küchenwerkzeugen, die man laut Oliver haben MUSS, wenn man die Menüs in 30 Minuten schaffen will. Er führt an, dass die Geräte / Werkzeuge ca. 600 Euro kosten. Das macht Mut. Das sind ca. 200 Fertigpizzen – wenn ich sie kaufe. Und knapp 400, wenn der Gatte einkaufen geht. Nachdem ich den Leuten vom Verlag schon die Marketingstrategie an die Hand gab, das Buch in Elektromärkten an den Mann zu bringen, kommt hier der Tipp, es auch in Haushaltswarenläden zu platzieren. Ich warte auf das Bundel KM – Kochbuch oder Kochtopf – Kochbuch …
Okay, dann manchen wir mal Inventur. Was sollen wir haben und was haben wir?
• Küchenmaschine mit folgenden Einsätzen: Flügelmesser, grobe und feine Schneidescheibe, grobe und feine Reibscheibe, Rühr- und Schlagbesen. Menno, ich hätte nicht nein sagen sollen, als der Gatte mir jüngst die Aldi-KM schenken wollte … Mal schauen, wie sich die Rudimente meiner 40 Jahre alten Moulinette schlagen. Rühr- und Schlagbesen hat sie nicht, hatte sie nie.
• Standmixer: Hatte ich. Bis ich
Stephs Watermelon Slush machte. Fällt also weg. Dafür habe ich zwei Pürierstäbe. Nur die werden nicht verlangt.
• Mikrowelle: Uff, endlich mal was, was ich abhaken kann.
• Handrührgerät: Ist da.
• Wasserkocher: In mehrfacher Ausführung.
• Große Grillpfanne (25 x 29 cm): Fehlanzeige.
• Große beschichtete ofenfeste Pfanne mit Deckel (30-32 cm): Siehe Große Grillpfanne.
• Mittelgroße beschichtete Pfanne mit Deckel (etwa 26 cm): Soso, das ist für JO mittelgroße. Für mich ist das die große Pfanne …
• Kleine beschichtete Pfanne mit Deckel (20 cm): Na ja, einen Deckel hatte die Pfanne nicht, als ich sie kaufte, aber der Deckel vom 20cm-Topf wehrt sich nicht, wenn er auf der Pfanne zum Einsatz kommt, also: Ja, ist da.
• Großer, hoher Kochtopf mit Deckel (24 cm): In zweifacher Ausführung vorhanden.
• Mittelgroßer Topf mit Deckel (20 cm): Ebenfalls ausreichend vorhanden.
• Kleiner Kochtopf mit Deckel (16 cm): Siehe Mittelgroßer Kochtopf.
• Dreiteiliger Dampfgartopf: Ich habe einen
Tischdampfgarer, zählt das auch?
• Robuste große tiefe Bratform (28 x 35 cm): Fehlt. Zwei runde Bräter aber hätte ich. Und überhaupt: Das, was auf dem Foto zusehen ist, sieht eher aus wie eine Auflaufform. Die habe ich.
• Mittelgroße Bratform (ohne Größenangabe): Siehe Robuste große tiefe Bratform.
• Backform (26 x 32 cm): Ist da.
• Beschichtetes Backblech: Tut’s auch 'ne Lage Backpapier?
• Kuchengitter: Positiv.
• 6er Muffinblech: Wozu braucht man das? Kann man nicht einfach das 12er halb füllen? Oder flexen?
• 12er Muffinblech: Halt, Schaaatzi, stopp, nicht das 12er zu zwei 6ern flexen, das wird noch gebraucht.
• 3 Messer guter Qualität: Kochmesser, Schälmesser, Brotmesser: Sagen wir mal so: Wir haben ausreichend Messer. Und meistens schälen und schneiden sie sogar. Auch Brot.
• 2 große Schneidbretter aus Kunststoff: Positiv.
• 2 große Schneidbretter aus Holz: Schneidbrett ja, Holz ja, groß nein.
• Ein Satz Rühr- und Küchenschüsseln: Keine Ahnung, ob es ein Satz ist, aber Schüsseln haben wir eigentlich genug.
• Hitzefester Durchschlag: In Metall und Kunststoff vorhanden.
• Feines Küchensieb: Positiv.
• Mörser und Stößel: Fällt eher in die Kategorie „niedlich“, aber: Ja, ist da.
• Knoblauchpresse: Ich bin schockiert! Ich dachte, ein richtiger Koch presst nicht! Ich bin kein richtiger Koch, ich presse.
• Küchenzange: Vom deutschen Jamie Oliver höchstselbst.
• Pfannenwender: In diversen Ausführungen.
• Holzkochlöffel: Exakt einer. Ich mag die bunten Melamindinger von Rosti Mepal.
• Schöpflöffel: Positiv.
• Schaumlöffel: Siehe Schöpflöffel.
• Teigschaber: Siehe Schöpflöffel.
• Kartoffelstampfer: Oh ja, mein geliebtes Turboteil aus DK. Muss ich direkt mal bloggen.
• Scharfer Sparschäler: Er meint das Teil, das regelmäßig meine Fingerkuppe kappt *autsch*
• Vierkantreibe: Positiv.
• Feine Handreibe: Mit meiner Microplane fahre ich sogar in den Urlaub.
• Messbecher: Diverse.
• Küchenwaage: Digital und analog.
• Messlöffel-Set: Mit Glück ist noch eines in der eBay-Kiste. Lag bei uns nämlich nur rum. Meistens tut’s die Lamäng.
• Schneebesen: Vorhanden.
• Dosenöffner: Der Gatte.
• Teigroller / Nudelholz: Gibt es seit knapp einem Jahr auch bei uns. Davor tat’s jede Flasche, die gerade griffbereit war.
• Backpinsel: Mit Haar und aus Silikon.
• Flaschenöffner: Siehe Dosenöffner.
• Eisportionierer: Siehe Flaschenöffner.
• Alufolie, Pergamentpapier (Kochpergament): Alles da.
• Mikrowellengeeignete Frischhaltefolie: Habe ich noch nie gebraucht. Wir haben Abdeckhauben.
• Küchentimer: Hey, ich bin Hausfrau! Ich habe Gefühl!
Okay, würde ich neben der Saisonalität und unseren geschmacklichen Vorlieben auch noch das Vorhandensein von Gerätschaften als Auswahlkriterium für die zu bloggenden Rezepte nehmen, hätte ich jetzt ernsthafte Probleme. Aber getreu dem Motto „Alle Köche sind beschissen, die sich nicht zu helfen wissen“ mache ich mich auch mit – nach JO-Kriterien – mangelhafter Küchenausstattung frohgemut ans Werk.
Das Ergebnis werde ich mit den
Kriterien der Rezensenten des Guardian messen: Kochzeit, Putzzeit, Stresslevel, Geschmack, Gesamtergebnis; jeweils auf einer Skala von eins bis sechs.
Ich bin immer noch gespannt.
Der Gatte hingegen überlegt, die nächsten vier Wochen bei Schwiegermutter zu essen.