Sonntag, 20. März 2011

Produkttest: Valess Fleischersatz – 0 % Fleisch! 100 % lecker?

Als ich dem Gatten beipulte, dass bei uns demnächst „fleischfreie Schnitzel“ gestestet würden, zitierte er eine Szene aus Tadellöser & Wolff: „Dr. Goebbels sagt, Ersatz ist besser als das Original!“ – „Also, das kann ja gar nicht sein!“ Da wir carnivor sind, sehen wir keinen Sinn in Fleischersatz. Gelegentlich kaufen wir aber schon mal Vegetaria-Produkte, und der Gatte grumpfelt dann, er müsse Analog-Fleisch essen. Na ja, stimmt ja auch. Und ein richtiges Stück Fleisch schmeckt uns allemal besser. Vegetarisch lebender Besuch hingegen wird komplett fleischlos bekocht, denn wie das geht, weiß ich ja.

Nun also sollte für die Konsumgöttinnen Valess getestet werden. Ich ließ mich davon ködern, dass „Valess aus bester Kuhmilch hergestellt [wird]. Dabei wird die Milch ähnlich wie bei der Käseproduktion weiter verarbeitet.“ So heißt es in der beiliegenden Werbebroschüre. Und weiter: „Hauptsache, es schmeckt! Und damit es das tut, wird bei Valess die Milch mit Pflanzenfasern und feinen Gewürzen ergänzt. Denn so entstehen der typisch leckere Geschmack, die saftige Konsistenz und der herzhafte Biss […]. Perfekt!“ Und weiter heißt es: „Valess enthält das Beste aus Milch. In jedem Bissen stecken wertvolles Calcium, Eiweiß und eine gute Portion pflanzlicher Ballaststoffe.“ Weiter beschäftigte ich mich nicht mit den Inhaltsstoffen. Was sollte schon groß anders sein als bei „Vegetaria“, das aus u.a. aus Soja- und Weizeneiweiß besteht. Statt Soja und Weizen nimmt Valess halt Milch, dachte ich.

Außerdem beschäftige ich mich seltener mit Inhaltsstoffen, als es den Anschein haben mag. Ich gestehe: Ich verwende beispielsweise Backmischungen und habe eine Schwäche für Fünf-Minuten-Terrinen. Und gelegentlich esse ich auch Tütensuppen. Dass ich gegen Haselnüsse samt Kreuzallergenen und Schimmelpilze allergisch bin, spielt selten eine Rolle, da ich kleine Allergenmengen gut wegstecke, zum Beispiel bei Zitronensäure (basiert auf Schimmelpilzen) zum Konservieren von Sirupen. Und bei größeren Allergenmengen nehme ich eine Tablette, zum Beispiel, wenn ich Gorgonzola esse. Um Quorn allerdings, einen aus Schimmelpilzen hergestellten Fleischersatz, würde ich einen großen Bogen machen. Kirschen und Wurzeln, Kreuzallergene von Haselnüssen, darf ich eigentlich nicht roh essen, mache es aber manchmal doch und meistens ohne Probleme. Äpfel gibt es nur in regionaler Bio-Qualität und in der Saison oder zubereitet.

Bei Fuchsschwanzgewächsen ist es schon kritischer. Seitdem ich weiß, wie stark ich auf kleine Mengen Amaranth reagiere, selbst, wenn sie in einem Schokoriegel verpackt sind, google ich unbekanntes Getreide oder Gemüse oder probiere es lieber nicht. Da fällt leider vieles weg wie zum Beispiel Queller. Ist mir einfach zu riskant, selbst mit Tablette. Die hilft aber gegen die Unverträglichkeit von Krustentieren und Muscheln. Auf Glutamat reagiere ich zuverlässig mit Durchfall, egal, ob es natürlichen Ursprungs ist oder nicht. Insgesamt haben meine Allergien und ich uns also gut arrangiert. Kein Grund, keine Produkttests zu machen.     

Das Valess-Paket kam an, vorbildlich sorgfältig verpackt mit Dämmfolie und Kühlakkus. Wenn ich da an gewisse zu testende Miesmuscheln denke … Aber das ist eine andere Geschichte. Im Paket enthalten waren alle sechs Sorten Valess: Champignon, Provençal, Gouda, Schnitzel, Toskana und Minis. Letztere kamen als erstes in die Pfanne. Abends sollte es dann eine der gefüllten Sorten mit Reis und Gemüse geben. Nur kam es gar nicht erst so weit.

Ich gab die sechs Mini-Schnitzel in die Pfanne, briet sie, gab sie mit Ketchup auf einen Teller und begann zu essen. Hm, den häufig geposteten Eindruck, dass sie wie Hähnchenschnitzel oder Chicken Nuggets schmecken, konnte ich spontan nicht teilen. Kommt vermutlich daher, dass ich selten fertig paniertes Hähnchenschnitzel esse. Und Chicken Nuggets habe ich zuletzt im letzten Jahrtausend gegessen. Das sieht wahrscheinlich anders aus, wenn man häufig solche Fertigprodukte isst oder nur Fleisch aus Massentierhaltung kennt. Aber selbst das Fertig-Schnitzel in der Mensa schmeckt besser. Also, wie Fleisch schmeckte Valess nicht. Aber es war essbar. Nichts, wo ich Geschmacksfäden ziehen würde, aber essbar.

Bei Mini-Schnitzel Nummer fünf begannen meine Schleimhäute, langsam anzuschwellen. Nach dem Verzehr von Nummer sechs konnte ich nicht mehr schlucken und bekam Atemnot. So schlecht ging es mir das letzte Mal nach dem Verzehr von einem knappen Kilo Kirschen. Okay, Ruhe bewahren, viel Wasser trinken, Notfallspray und Allergietablette nehmen, Telefon zum Rufen des Notarztes bereit legen, Panik vermeiden und einen Blick auf die Zutatenliste werfen, um zu gucken, worauf ich allergisch reagieren könnte.

Die Minis bestehen laut Herstellerhomepage aus 66% Magermilch, Weizenmehl, pflanzlichem Öl, Stabilisatoren: Kaliumlactat und Natriumpolyphosphat, Sojaeiweißkonzentrat, Verdickungsmittel: Calciumalginat und Methylcellulose, Hühnerei-Eiweiß, Aroma (enthält Mais), Haferspelzfaser, modifizierter Weizenstärke, Hefe, Kochsalz, Dextrose, Kräuter, Gewürze, Eisen diphosphat und Vitamin B6. Bis auf Methylcellulose kenne ich das alles und hatte damit bislang keine Probleme.

Methylcellulose ist Hauptbestandteil vieler Tapetenkleister und wird als Verdickungsmittel oder Emulgator in Lebensmitteln eingesetzt. Nun gut, ich sage ja gerne in Stressphasen, ich könnte die Tapeten von der Wand nagen. Hab’s aber noch nie getan. Aber jetzt weiß ich, wie sie schmecken könnten, die Tapeten. Das sind dann wohl die berühmten Valess Fasern, die laut Produktbroschüre mit Magermilch, Pflanzenfasern (Haferspelz, ein billiges Abfallprodukt, kategorisiert als Ballaststoff), Kräutern, Gewürzen und Paniermehl den „vollen Valess-Geschmack“ ergeben. Gut, lecker ist anders, aber das Zeugs ist erstens für Lebensmittel zugelassen und zweitens keines meiner Allergene. Schlauer war ich jetzt nicht.

Auch die Anfrage bei der Lebensmittelchemikerin meines Vertrauens brachte keine Aufklärung. Ulrike bekam zwar ob der Methylcellulose Schnappatmung und befragte eine Kollegin, die sich öfter mit solchen Produkten beschäftigte und ebenfalls schnappatmete, aber meine allergische Reaktion konnten beide auch nicht erklären. Vielleicht basiert das Aroma auf Schimmelpilzen? Nein, sagt Valess, die ich auch über meine Reaktion informierte. Die Firma riet mir gleichzeitig, den Test umgehend abzubrechen, was ich auch tat. Ich bin zwar bekloppt, aber nicht blöd.

Zwei ebenfalls carnivore Kolleginnen erklärten sich  bereit, drei Sorten zu probieren: Champignon, Gouda und Schnitzel. Ergebnis: Champignon sei lecker, wenn man tatsächlich mal einen Pilz in der Sauce fände, wie Fleisch schmecke das Produkt aber nicht, würde man nicht kaufen. Gouda sei ebenfalls essbar, schmecke fleischähnlich, müsse man aber auch nicht wieder haben. Tja, und auf das Schnitzel reagierte eine Kollegin genau wie ich mit Atemnot und dem vollen Programm. Ulrike vermutet inzwischen, die Haferspelzfaser könnte Ursache sein. Gegen Hafer bin ich aber eigentlich nicht allergisch ...  Tja, und ich muss ja wohl nicht sagen, dass es Valess bei uns nicht mehr geben wird, oder? Der Gatte entsorgte die beiden letzten Packungen triumphierend in den Mülleimer und zitierte einmal mehr Kempowski ...

7 Kommentare:

  1. Ich bewundere deinen Mut! Bei mir hätte das Zeugs die Türschwelle nicht passiert ;-).

    Und die Firma hat dir - außer dem Rat, den Test abzubrechen - keine weitere Hinweise gegeben? Und noch nicht einmal Schmerzensgeld angeboten?

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  2. Nee, so wirklich ergiebig waren die Antworten der Firma nicht. Man nehme das alles ernst, aber bislang seien solche Reaktionen noch nicht vorgekommen. Wir sollten die beiden Produkte einschicken, aber meines war gegessen, das zweite Schnitzel der Kollegin im Müll entsorgt. Aber ich war irgendwo froh, dass die Kollegin auch reagierte, denn ich fühlte mich schon hysterisch-hypochondrisch.

    Sollte ich mal wieder das Verlangen haben, Fleischersatz essen zu wollen, gibt's wieder Vegetaria. Die Zutatenliste (Trinkwasser, Sojaeiweiß, pflanzliches Fett, Weizeneiweiß, pflanzliches Öl, Eiklarpulver, Aroma, modifizierte Stärke aus Kartoffeln und Weizen, Speisesalz, Gewürze, Hefeextrakt, Emulgator Soja-Lecithin) sagt mir eher zu. Da weiß ich wenigstens sofort, was das ist.

    Und im vorletzten Kochtreffen wurde mir die Scheu vor Tofu genommen. Mit dem werde ich auch öfter experimentieren.

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  3. Das klingt hochgradig widerlich, was diese Firma da produziert und dann auch noch als Essen verkauft.
    Ich frage mich, wie das in Hassloch durchgekommen ist, da werden doch ständig neue Entwicklungen in den Supermärkten getestet, bevor sie in die "normalen" Läden kommen. Aber so gesehen, es gibt soviel ekliges Zeugs in den Geschäften, da könnte ich mir die Frage eigentlich öfters stellen. Aber das auch noch als Ersatz für IRGENDETWAS zu verkaufen ist eigentlich eine Frechheit!

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  4. Warum testest du denn so etwas? So viel Geld kann man mir gar nicht zahlen, bevor ich so etwas esse!

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  5. @ Petra, wie geschrieben: Ich hatte mich vorher nicht mit den Zutaten beschäftigt und bin schlichtweg darauf hereingefallen, dass das Zeugs aus Milch besteht.

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  6. Vielleicht sollten wir Valess mal Reismehl und Tapiokamehl ans Herz legen statt Kleister ... Dann kann man das Zeugs auch verspachteln - im doppelten Wortsinn ;o)

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  7. Im Nachhinein bin ich grad froh über meine Absage bei dem Test. Ich hab mich als regelmäßiger Leser eingetragen und würde mich über Gegenverfolgung freuen.

    LG

    Anke

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