Freitag, 1. April 2011

„Sie müssen ihn unter die Zunge kriegen“ - Der Food Porn-und-Blind Dates-Bericht, Teil III

Die Weinproben meiner Eltern in den 1970er Jahren nahmen schnell mal loriotsche Ausmaße an – inkl. Staubsaugervertreter. Meine Mutter hatte sogar so ein Teil mit angeschlossener Trockenhaube. Ich durfte damals natürlich noch keinen Alkohol trinken, was mich aber nicht daran hinderte, als Dreijährige bei einer Feier immens wichtiger Geschäftsfreunde die Neigen aus diversen Gläsern zu leeren und kurze Zeit später auf ebenso wertvollen wie potthässlichen Orientteppichen von mir zu geben. Ich wusste eben damals schon, wie man sich eindrucksvoll in Szene setzt.

Ein Jahrzehnt später fanden die Weinproben in den Urlauben meiner Eltern statt. Das Weingut Reitz an der Mosel begeisterte sie nachhaltig. Mich weniger. Von den Weinen, die Elterns anschleppten, bekam ich meistens Sodbrennen. Sie hingegen bauten sich einen richtigen Weinkeller, der noch heute der Stolz meiner Mutter ist. Nur trinkt sie keinen Wein mehr. Und unter uns gesagt: Das meiste, was da lagert, ist inzwischen ungenießbar. Aber sie ist immer noch so stolz auf ihren (leider) unerschöpflichen Weinvorrat und meint, uns etwas Gutes zu tun, wenn sie uns eine der alten Flaschen mitgibt. Ich mag ihr einfach nicht sagen, wie’s um den Wein steht und bin inzwischen ziemlich gut darin, Fleisch in Rotwein zu schmoren. Ein Freund meinte mal trocken, das meiste tauge nur noch als Rostentferner, aber da bin ich halt Tochter meiner Mutter: Nix umkommen lassen! Solange mich der erste Schluck nicht vom Stuhl reißt, wird’s verkocht. Mutterns glaubt, wir verkaufen die Weine zu horrenden Preisen im Internet … Die Gute.

Jetzt also, im hohen Alter, sollte ich das erste Mal zu einer richtigen Weinprobe. Nummer eins schnackte mich mit. Die hat da mehr Erfahrung als ich und entdeckte Helmrichs Bistro & Weine – oder wurde von Dirk Helmrich entdeckt, da gehen die Meinungen auseinander. Das Lokal ist quasi umme Ecke vom heimischen Acker, aber gleichzeitig in einer Ecke, in die ich nur selten komme. Deswegen entging es mir bislang. Dirk Helmrich war früher Sommelier im Landhaus Scherrer, eines der traditionellen Lokale im Hamburger Westen. In der Küche des Helmrichs steht mit Marc Laukemper ein sehr junger und, wie ich finde, vielversprechender, Küchenchef. 

Ich war sehr gespannt, was mich erwarten wird und hatte einmal mehr Loriot vor Augen. Außerdem hatte ich Bammel, denn bislang schmeckte ich selten die gepriesenen Aromen im Wein und unterteilte Weine allenfalls in „lecker“ und „unlecker“. Das Gewese, das um Wein gemacht wird, war mir immer suspekt - und ist es noch immer. Zum Glück muss ich mir in Zeiten von Schraub- und Glasverschlüssen keine Gedanken mehr machen, ob ich vielleicht gerade einen korkigen Wein trinke, denn lange Zeit schmeckte ich noch nicht mal den Kork. Außerdem sind Weinproben doch bestimmt 'ne steife Angelegenheit … Dass ich Nummer eins an meiner Seite wusste, beruhigte immens.

Vor dem Lokal musste erstmal die Beute aus dem indischen Supermarkt geteilt werden, wechselten Plastiktütchen mit merkwürdigen Substanzen unter misstrauischen Passantenblicken von einer roten Handtasche in die andere. Die Othmarschener machen sich seitdem vermutlich Sorgen um den offenen Drogenhandel in ihrer Gegend …

Im Lokal wurden wir herzlich empfangen und nahmen am großen Tisch Platz, denn die Weinprobe sollte in geselliger Runde stattfinden. Schade war, dass manche trotz Reservierung nicht kamen, andere aber nach Hause geschickt werden mussten, weil es ja die Reservierungen gab. So was macht keinem Gastronom Freude und ist schlichtweg stillos. So waren wir dann letztlich zu acht am großen Tisch im sich insgesamt im Laufe des Abends trotzdem gut füllenden Lokals mit hohem Stammgastanteil.

Insgesamt sollten 16 Weine verkostet werden, immer zwei gleichzeitig zum direkten Vergleich. Dazu gab’s passende Häppchen.

Ziegenkäse mit geschmolzener Paprika und Pesto, dazu 2009er Rießling von Dr. Loosen (Mosel) und 2009er Kruger-Rumpf (Nahe).  


Porcino tonnato mit 2009er Weißburgunder von Dr. Loosen (Mosel) und 2009er Weißburgunder von Gunderloch (Rheinhessen).

Bärlauchschäumchen mit 2009er Grauburgundern von Bercher (Kaiserstuhl) bzw. Gunderloch (Rheinhessen).

Beef tatare mit 2010er Verdejo Viura von Bodegas de Crianza de Castilla La Vieja (Südafrika) bzw. 2009er Sauvignon Blanc von Creation (Südafrika).
 
Shiitake, Enoki, Kräuterseitlinge und Lauch mit 2009er Grünem Veltliner und 2009er Weißburger, beide von Tinhof (Burgenland / Österreich).

Blutwurstgrötschl mit Bratkartoffeln zu 2009er Cabernet Sauvignon von Santa Ema (Chile), 2008er Reserva von Romanisco (Portugal), 2005er Monastrell Crianza und 2006er Valtosca Syrah (beide von Casa Castillo aus Spanien) sowie 2009er Syrah Grenache und 2008er Cabernet Sauvignon, Merlot, Petit Verdot (beide von Creation aus Südafrika). 

Das überraschendste Fazit des Abends: Ich bin zu jung für Rotwein. Da musste ich dann doch sehr lachen. Öhm, vielleicht bin ich zu alt dafür? Mit 18 mochte ich den durchaus; dreißig Jahre später nicht mehr so.  Dass ich keinen Rotwein mag, würde ich so pauschal also nicht unterschreiben, aber die vorgestellten Rotweine waren unterm Strich alle irgendwie nicht so meine. Und tatsächlich trinke ich lieber Weißweine, aber das wusste ich auch schon vorher.

Zum ersten Mal machte ich auch die Erfahrung, wie sehr sich Weine mit passenden Speisen verändern. Zwei Rotweine schafften es von „Geht gar nicht“ immerhin zum „Zur Blutwurst okay“, ein anderer kam auf die Liste zum späteren Einkauf. Übrigens war die Weinprobe keine Verkaufsveranstaltung (auch wenn natürlich niemand daran gehindert wurde, Wein zu kaufen ;o)). Jeder bekam eine Verkostungsliste mit der Möglichkeit, sich Notizen zu machen. Die hängt jetzt bei uns an der Pinnwand. Zum Sommer wird der eine oder andere Tropfen bei uns landen, da bin ich sicher. Ich muss nur noch dem Gatten beipulen, dass ich irgendwie über seine geliebten Herxheimer Weine hinweg bin und mein eigenes Weinregal brauche…

Das Essen war, bis auf das Bärlauchschäumchen, bei dem ich sehr stark auf Pulverherkunft tippe, sehr gut – Beef tatare und Bratkartoffeln waren schlichtweg der Hammer. Das Fleisch kommt übrigens aus der benachbarten Schlachterei Mundgerecht. Zum abschließenden Rotwein hätte ich mir noch was Schokoladiges gewünscht, zum Abrunden (weniger von mir als vom Mahl ;o)). Insgesamt komme ich sicher öfter hierher, zum Beispiel zum Spargelmenü am 29. April 2011. Eigene Weine können übrigens gegen ein Korkgeld verzehrt werden.

Food Porn und Blind Dates:
Der Auftakt
Teil I
Teil II

Teil IV

2 Kommentare:

  1. Jaaaaaa, es war ein wundervoller Abend. Wenn Du zum Spargel gehst, bitte unbedingt berichten und liebe Grüße an die charmanten Gastgeber.

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  2. Die Grüße richte ich gerne aus! Kann leider noch nicht reservieren, weil wir erst Schwiegermutters Urlaubsplanung abwarten müssen. Die soll nämlich mit - als Dank für's stete Bügeln und so.

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