Rinder-Consommé mit Einlage aus Rindfleischstreifen. |
Mit der klaren Brühe, das kam so: Es gab mal ein Weihnachtsessen, bei dem kochten wir des Gatten Mutter (nein, hier kommt kein Punkt!), bis dahin ihrer Meinung nach unumstrittene Küchen-Queen, gnadenlos an die Wand.
Wir hatten vier Wochen lang probegekocht, um das ultimative Menü zusammenzustellen. Für Heiligabend gab es einen Ablaufplan im 5-Minuten-Takt. Jeder kannte seine Position in der Küche. Einer musste immer bei den Gästen bleiben. Es gab mise en place. Die Küche war beim Eintreffen der Gäste blitzsauber (darauf und auf eine saubere Toilette legt Schwiegermutter besonderen Wert - ich glaube, sie tritt gelegentlich als Christian Rach auf). Es gab Latte Macchiato von der Petersilienwurzel; Jakobsmuschel in Mangold an Vanilleschaum; Rinderfilet an dreierlei Mousse von Gemüse und Marzipan-Spekulatius-Parfait auf einem Spiegel von Glühweingelee - zügig nacheinander serviert, weil Schwiegermutter Wartezeit zwischen den Gängen hasst. Schwiegermutter lobte das Essen in höchsten Tönen - nicht nur den Hauptgang, den der Gatte kochte. Ich vermutete schon, sie dächte endlich, ich könne kochen. Dass der Gatte kochen kann, sieht sie ja schon lange ein.
Am nächsten Tag wurde ich auf den Boden der Tatsachen zurück geholt. Während Schwiegermutter demonstrativ Stunde um Stunde in der Küche stand, um eine Pute vorzubereiten, mussten der Gatte und ich ihre Gäste unterhalten. Schließlich bat sie zu Tisch. Während sie eine Clear Oxtail servierte, meinte sie, sie habe gestern sehr gut gegessen. Aber wer wirklich kochen könne, serviere keine Schäumchen und Träumchen, sondern Klassiker wie Klare Brühe und Pute. Deswegen gebe es bei ihr die klassische Küche und keine moderne Schaumschlägerei.
Ich bin ein höflicher Gast. Ich fragte nicht, ob Schwiegermutter mit Klärfleisch oder mit Eiweiß zur Suppenklärung arbeitete, als sie stundenlang in der Küche war. Es war deutlich zu schmecken, dass nicht Schwiegermutter die Suppe klärte, sondern Erasco oder Unox. Ich schwieg. Ich wusste, meine Zeit würde kommen. Rache muss auf kleiner Flamme köcheln, um heiß serviert zu werden. Wie Suppe, die geklärt wird. Seitdem gibt es bei uns so oft es geht eine klare Brühe, wenn Schwiegermutter zu Gast. Serviert mit den Worten "Die magst Du doch so gerne!" und einem entwaffnenden Lächeln, denn Lächeln ist die schönste Art, Zähne zu zeigen.
Grundlage für die Rinder-Consommé meines Herbstfarben-Menüs war Rindfleisch mit Pflaumen. Die übrig gebliebene Brühe stellte ich über Nacht kalt und nahm am nächsten Tag das Fett ab. Dann erhitze ich die Suppe langsam. Wenn die Temperatur etwas höher als Hauttemperatur ist (ganz Genaue würden sagen: Wenn die Suppe ca. 55° C hat), rühre ich Eiweiß mit einem Schneebesen in die Suppe. Für solche Fälle habe ich immer Eiweiß in der Tiefkühltruhe, denn es gibt ja immer wieder Gerichte, für die ich nur Eigelb brauche. Ganz Genaue nehmen ein Eiweiß auf zwei Liter Suppe. Ich nehme das, was da ist. Das Eiweiß darf natürlich nicht mehr tiefgefroren sein, muss also rechtzeitig vor der Suppenklärung aufgetaut werden.
Wenn das Eiweiß in die Suppe gerührt ist, rührst Du nicht mehr, sondern wartest in Ruhe ab, bis die Suppe aufwallt und achtest darauf, dass sie möglichst nicht kocht. Auf der Suppe bildet sich ein Deckel aus geronnenem Eiweiß. Das nimmst Du mit einem Schaumlöffel ab, solange, bis kein Eiweiß mehr an die Oberfläche steigt und gerinnt. Jetzt gießt Du die Suppe durch ein mit Küchenkrepp oder einem sauberen Handtuch ausgelegtes Haarsieb, das Du auf eine Schüssel gesetzt hast. Bevor Du gießt, vergewissere Dich lieber noch mal, dass unter dem Sieb eine Schüssel ist und nicht bloß das Spülbecken. Das wäre ärgerlich. Nein, mir ist das erstaunlicherweise noch nicht passiert. Ich bin nämlich zu faul, den Topf bis zum Spülbecken zu tragen und stelle Haarsieb und Schüssel auf den Herd, neben den Suppentopf. Aber ich kenne da mindestens eine, die schaffte das mit der Suppenentsorgung im Spülbecken schon mal ...
Jetzt gibst Du die Suppe wieder in den Topf zurück, falls Du sie nicht sofort servierst. Ich habe gerne meine Ruhe beim Suppenklären und mache das meistens schon am Vortag. Am Tag selbst lasse ich die Brühe dann kurz vor dem Servieren nur noch auf kleiner Flamme warm ziehen und schmecke sie ab. Diese Brühe muss etwas kräftiger abgeschmeckt werden, da sie durch die Pflaumen ziemlich süß ist. Salz, Pfeffer, eine Prise Cayenne und Sherry oder Madeira passen. Wenn Du hast, geb' ein paar Rindfleischstreifen in die Suppenteller. Oder hauchdünn geraspelte Wurzeln. Oder süß-sauer eingelegte Pflaumen. Suppe auf Teller verteilen, servieren und Dich bewundern lassen, weil Du Suppe klären kannst.
Und die Geschichte mit der Jakobsmuschel erzähle ich Dir ein anderes Mal.
Danke für die ausführliche Anleitung.
AntwortenLöschenVergnügt gelesen...gute Geschichte :-)
AntwortenLöschen