Mittwoch, 21. Oktober 2009

Pudeldressur im Plüschquamperfekt

Bevor es mit dem orangenen Blogherbst (danke für den schönen Begriff, Anikó ;o)) weitergeht, ein kleiner Ausflug in eine Hamburger Institution, die für mich zu meinem Heimathafen gehört wie Elbe, Alster und Michel. Jedesmal, wenn ich aus dem Busfenster die Plakate sehe, freue ich mich wie Bolle, dass es wieder da ist: Das Hansa-Theater am Steindamm.

Das heißt, weg war es ja eigentlich nie, denn das Haus fiel ja nur in einen Dornröschenschlaf, seit Silvester 2001 der letzte Vorhang fiel. In den Jahren dazwischen wurde es liebevoll gepflegt, ab und an mal vermietet (so feierte Hape Kerkeling seinen 40. Geburtstag hier, und Heidi Klum stellte einen Beinrasierer und den neuen Otto-Katalog vor), verwandelte der Besitzer die Küche in eine Gourmet-Schatzkammer, wurden Messingbeschläge, Kronleuchter und Toiletten regelmäßig geputzt und gewienert.

Dann aber kamen Anfang diesen Jahres die Jungs vom St. Pauli-Theater und küssten das Hansa-Theater wach. Klar, das Mudderns und ich da hin mussten. Das Hansa-Theater war zwar nicht das erste Theater, in dem Klein-Kaoskoch war, aber das, das mich am meisten beeindruckte: Die Garderoben- und Servierdamen in ihrer Hamburger Kökschen-Tracht, der schneidige Portier in seiner Uniform, die Lüster, der rote Samtteppich, die Rufschalter für die Kellner an jedem Tischchen, die Stühle, die immer nur eine Lehne haben, "damit sich auch beleibtere Gäste wohlfühlen", wie es im Programmheft heißt ... All das hat mich neben den Artisten am meisten beeindruckt. Kein Wunder, dass das Abendblatt vom "Abend im Plüschquamperfekt" sprach.
Und der Besuch war wirklich wie ein Reise in Vergangenheit, bei der auch der legendäre Theaterteller nicht fehlte, der inzwischen aus dem Fischereihafenrestaurant kommt . Die Geschmacksrichtungen Fisch und Käse wurden inzwischen um einen Vesperteller erweitert, aber so'n neumodisches Gedöns machen wir natürlich nicht mit und orderten einmal Fisch, einmal Käse. Hier der Fischteller, bei dem ich froh war, dass er als einziges nicht so war wie in meiner Erinnerung. Damals gab's nämlich dröiges Schwarzbrot mit Aal - ich mag keinen Aal ...

Übrigens, egal, ob's gerade ansteht oder nicht: Ein Muss ist der Besuch der Damentoiletten, zumindest für den, der's qua Geschlecht darf. Spiegel, Wandleuchter, tiefrote Wände, Orientteppiche und Kabinen aus Mahagoniholz ... Schon alleine dafür könnte man Eintritt nehmen. Selten habe ich eine bessere Umsetzung des Ausdrucks "perfekte Organisation" gesehen wie in dieser Toilette: Nach dem Durchschreiten der Drehtür steht frau automatisch in der Warteschlange für die WC-Kabinen, dirigiert von einer Klofrau (wobei dieser Ausdruck selten so fehl am Platze war wie bei dieser Dame), die dafür sorgt, dass die Schlage kaum ins Stocken gerät. Die Kabinentüren öffnen selbsttätig, die Kabinen sind geräumig genug für Frauen mit Figur und Reifrock-Sahnebaiserroben, und nach dem Verlassen der Kabine geht's nahtlos in die Händewaschschlange, bevor einen die Drehtür wieder herauskatapultiert.

3 Kommentare:

  1. Das Hansa-Theater ist zauberhaft! Sowohl die Räumlichkeiten als auch die Vorstellung. Wir waren im Januar dort und sehr begeistert (nur der Fischteller, der machte uns nicht satt...)

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  2. Satt wäre ich normalerweise auch nicht geworden, aber wir waren nachmittags da, das Frühstück lag noch nicht so lange zurück ;o) Der Teller ist wohl auch eher für Seniorenmägen gedacht. So kam Mudderns Frischhaltebeutel zum Einsatz. Ihr war's zu viel, sie aß die Reste am nächsten Tag.

    Bei der nächsten Nachmittagsvorstellung probieren wir dann mal Kaffee und Kuchen.

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  3. Noch ein Grund mehr, wieder mal nach HH zu reisen. Einen sehr schönen Bericht hast du da geschrieben, so heimelig. "Plüschquamperfekt"...ich kann nicht mehr :-))

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