Sonntag, 10. Februar 2013

Szenen einer Ehe: Des Gatten Menü

Er: Hat meine Frau nicht eine schöne Tischdeko gemacht?
Schwiegermutter: Schade um die schönen Tulpen!
Sonnabend Morgen.

Sie schlappt schlaftrunken zum PC, wo Er schon einen Milchkaffee für Sie bereit stellte. Sie will nur wach werden, Radio hören und spielen. Er ist schon wach und kommunikativ.

Er: Duuuhuuu, Schaaahaaatz, ich habe heute Nacht vom Essen geträumt! Ich habe ein ganzes Menü geträumt!

Sie denkt sich: Heiligs Blechle! Reicht nicht eine Kochbekloppte, die vom Essen träumt?!

Er: Aaaalsoooo, pass auf! Vorspeise ist eine klare Tomatenessenz. Oder 'ne Clear Oxtail. Oder Mockturtle. Dann kommt ein Erdbeersorbet. Das machst Du. Kannst auch die Eismaschine nehmen. Als Hauptgang gibt es Lachs mit Nusskruste. Zum Dessert mache ich Orangenmousse. Na, wat sachste? [Er strahlt Sie voller Stolz an].

Sie hüstelt: Ähm, Hase, also, wir haben Januar. Tomate? Erdbeeren? Das kannste im Sommer machen.

Er: Du kannst auch immer nur meckern!

Sie rollt die Augen.

Er, wieder von der Palme runter: Okay, dann die Oxtail.

Sie: Gut, dann bestellen wir gleich beim Schlachter einen Ochsenschwanz.

Er: Ochsenschwanz? Wozu? Ich wollte eine aus der Dose nehmen.

Sie schnappatmet.

Sonnabend Nachmittag, beim Afternoon Tea bei Schwiegermutter.

Er: Schatz, was hältst Du davon, wenn wir meine Mutter nächsten Sonntag zum Essen einladen?! Ich kann dann mein Menü kochen. Er guckt treuherzig. Wie kann Sie da nein sagen? Er: Muddi, kannst Du nächsten Sonntag?

Petersilienwurzelessenz.
Schwiegermutter: Also, da brauche ich erst mal meinen Kalender. [Geht in die Küche und kruschtelt, kommt wieder, setzt sich, blättert im Kalender]. Ach, ohne meine Brille kann ich nichts sehen. [Steht auf und sucht die Brille, findet sie, setzt sich wieder, blättert im Kalender]. Also, heute ist der 26. Dann ist morgen der 27. Nächsten Sonntag, sagst Du? Da ist schon Februar [blättert weiter im Kalender]. Also, Sonnabend ist der 2. Da hat C. Geburtstag. Sie geht mit Frau L. und P. zu Tschebull. Ich bin nicht eingeladen, weil sie sagt, dass sei ja nichts Besonderes für mich, weil ich da ja jeden Dienstag bin. Das stimmt so zwar nicht, aber ich muss auch nicht mit Frau L. zusammen sein und bin ganz froh, dass ich da nicht mit muss. Dafür hat C. mich in der Woche drauf in den Jahrezeiten Grill eingeladen. Im Vier Jahreszeiten war ich lange nicht mehr. Passt mir viel besser! Das ist also der Sonnabend. Sonntag ... Warte mal ... Sonntag ... Das ist der 3., ja? Da bin ich nachmittags in Rissen, zum Kaffeetrinken. Mir ist da eine Hundepension empfohlen worden, von Frau P. Das ist die mit Moritz. Die habt Ihr mal kennengelernt, als sie nach dem Bridge länger blieb und Ihr kamt, um Rindfleischreste für das Bellchen vorbei zu bringen. Der Moritz ist ja so ein Lieber! Die Hundepension nimmt zwar normalerweise keine Hunde mehr auf, aber bei mir will sie eine Ausnahme machen, wenn es passt. Deswegen gehen wir da Sonntag zum Kaffee hin. Keine Ahnung, warum das ausgerechnet Sonntag sein muss. Das passt mir eigentlich gar nicht. Hoffentlich benimmt sich das Bellchen. Ja, also, das ist der Sonntag.

Er: Und dann kommst Du abends zu uns zum Essen?

Schwiegermutter: Ja, ich glaube das geht. Warte mal [blättert wieder im Kalender]. Also Montag, da habe ich ...

Er, sie unterbrechend: SONNTAG! Bei uns! Halb sieben!  

Während der Woche redet er immer wieder von seinem Menü. Schließlich ist wieder Sonnabend Morgen.

Er: Also, ich hab' das Menü jetzt festgelegt. Es gibt Petersilienwurzelessenz. Dann machst du Erdbeersorbet. Ich mache den Lachs und die Orangenmousse.

Lachs mit Nusskruste auf Limetten-Meerrettich-Schaum
mit Wurzel-Zucchini-Gemüse.
Er zu seiner Frau: Schatz, ist der Fisch für dich gut gegart?
Schwiegermutter: Der Fisch ist perfekt!
Er: Na ja, er sollte innen noch glasig sein. Dieser ist ziemlich
durch.
Schwiegermutter: Glasig! Blödsinn! Wir essen doch
kein Sushi!
Sie: Schatz, bei aller Liebe, das Sorbet ist Blödsinn. Ich mache aber gerne ein Erdbeereis zum Dessert, wenn es im Februar partout Erdbeeren sein müssen. Im Tiefkühler sind noch welche vom letzten Sommer. Wir haben aber noch so viele Kiwi. Was hältst Du von einer Kiwi-Eis-Tarte? [Die Kiwi sind schon seit zwei Wochen Diskussionsgegenstand. Sie wollte sie schon in einer Nudelsauce verwerten, aber leider kam Er zu früh nach Hause und unterband das. Sie mag keine Kiwi, ist zudem dagegen allergisch.] 

Er: Nein, ich mache Orangenmousse! Basta! Und die Kiwis esse ich noch! Bestimmt! Oder ich püriere sie und friere sie ein.

Später, auf dem Markt. Er findet keinen Parkplatz.

Er: Kannste nich' schon ma' aussteigen und einkaufen? Ich komm' dann später nach.

Sie: Nee, ich weiß ja nich', waste willst. Du suchst dir das Gemüse doch lieber selbst aus und diskutierst mit jeder einzelnen Wurzel. Ich kauf' bestimmt das falsche. Und Bargeld hab' ich auch keines mit.

Er: Sind wir heute mal wieder ein bisschen zickig?!

Vor dem ersten Marktstand:

Er: Haben Sie Petersilienwurzeln?

Verkäuferin: Ja, vier Stück.

Er zu Ihr: Schatz, reicht das?

Sie: Keine Ahnung, Ich kenne dein Rezept nicht.

Er: Zickzickzick [Später stellt sich heraus: Er hat noch gar kein Rezept.]

Sonntag Mittag.

Die Suppe muss noch geklärt werden. Die Mousse steht im Kühlschrank. Er hat alles im Griff.

Er: Kanst du mir bitte zeigen, wie man Suppe klärt? Ich hab' das noch nie gemacht!

Sie setzt zu einer Erklärung an, meint dann aber: Töv ma! Ich hab' das gebloggt. Ich druck's dir aus! 

Er geht lesend zurück in die Küche, kommt wieder und klagt: Das klappt nicht! Sie geht mit in die Küche, stellt fest, dass die Temperatur zu niedrig ist, gibt Starthilfe und verschwindet wieder.

Kurze Zeit später ruft er aus der Küche: Schaaahaaatz, bist du so lieb und filetierst mir die Orangen? Sie trabt in die Küche und legt los, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt durch sein liebendes Haupt auf ihrer Schulter. Er will halt genau sehen, was Sie macht, damit Er es das nächste Mal selbst kann.

Er: Ach, Du wendest die Brutalo-Methode an!

Sie: Äh, ja. Wie denn sonst?

Er: Ich dachte, man pellt erst die Apfelsine, dann nimmt man die einzelnen Stücke heraus und häutet sie.

Sie: Kann man. Ich hab' heute aber noch was anderes vor. 

Orangenmousse mit schokolierten Orangenfilets.
Schwiegermutter: Der Teller ist ja ganz dreckig!
Er: Das ist die Deko!
Dann steht er wieder vor ihrem Schreibtisch und klagt: Sachma, wie lange dauert das eigentlich mit der Schokolade im Wasserbad?! Die kocht jetzt schon 'ne Stunde und ist immer noch nicht richtig geschmolzen!

Neue Kuvertüre, neuer Versuch, aber auch ihr schmiert die Kuvertüre ab, als sie mit Orangenfilets in Verbindung kommt.

Es ist halb sieben. Schwiegermutter und das kleine braune Hundevieh stehen vor der Tür. Letzteres hat Gastritis. Oder Noro. Auf jeden Fall Magenprobleme. Die könnten auch von dem Maulkorb kommen, den es vor fünf Tagen zerkaute, als es die Tierarztpraxis zerlegte.

Sie kocht Fencheltee für den Hund und füllt mitgebrachte Wurzelsuppe mit aufgelöster Hundepille auf einen Porzellanteller, denn Schwiegermutter besteht darauf, dass der Hund nur von Porzellan frisst. In diesem Fall half auch das Porzellan nichts. Der Hund verweigert die Suppe. Als Sie die später wegkippt, denkt Sie, Sie kann den Hund verstehen.

Um sieben Uhr verkündet Er stolz: Es ist angerichtet!

6 Kommentare:

  1. No woman- no cry. Wie recht doch schon der gute Bob hatte :-) Schönes WE, das Menü liest sich trotzdem gut,
    Gruß
    Holger

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    1. Danke, das freut den Gatten! Es war auch sehr lecker, vor allem die Mousse.

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  2. Ich liebe deine Sonntagsgeschichten! :D
    Und zum Essen würde ich gern mal vorbeikommen. Das Menü klingt gut!

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  3. Ich habe mich einmal mehr bestens amüsiert! Das Menü liest sich toll! Ich freu mich schon auf die nächste Szene :-)
    Grüessli
    Irene

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