Bei historischen Rezepten kann ich selten widerstehen, und so kamen diese Kekse natürlich auf meine Nachkoch-, äh, Nachbackliste, als ich den Tweet der Initiative 9. November Bünde sah. Das Rezept stammt von der Familie Levison aus Bünde, einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen. Die Stadt war einst das Zentrum der Zigarrenindustrie und wird noch heute als Zigarrenstadt bezeichnet.
Juden leben seit dem späten 17. Jahrhundert in Bünde. Ihre Blütezeit erreicht die Gemeinde um 1835. Die meisten jüdischen Bündener gelangen durch die Zigarrenindustrie zu Wohlstand und leben assimiliert, haben eigene Geschäfte oder arbeiten als Angestellte. 1932 sind 1 Prozent der Bündener Bürger Juden.
Seit Ende der 1920er Jahre erheben Antisemiten zunehmend die Stimmen. Schon 1929 verteilten NSDAP-Mitglieder Flugblätter mit Boykott-Aufrufen vor Geschäften jüdischer Inhaber. Unmittelbar nach der Machtübernahme im Januar 1933 werden die jüdischen Bündener systematisch diskriminiert und verfolgt.
Sind gar nicht so klein: Levinsons kleine Kekse. |
Familie Levison gehört zu den alteingesessenen jüdischen Familien in Bünde. Sie ist wohlhabend, unterstützt die Synagogengemeinde, aber auch den Bau eines konfessionsunabhängigen Krankenhauses, ist sozial und gesellschaftlich engagiert.
Carl Levinson, seine Frau Auguste und ihr ältester Sohn Alfred gehören zu den letzten jüdischen Familien in der Stadt. Am 31. Juli 1942 werden sie nach Theresienstadt deportiert, wo sie im Frühjahr 1944 bzw. Anfang 1945 infolge der unmenschlichen Aufenthaltsbedingungen und der schlechten Ernährungslage sterben. Sohn Paul arbeitet als Kinderarzt in Hamburg und kann von hier in die USA emigrieren. Tochter Johanna heiratet Albert Schiff, zieht nach Herford und wird von dort gemeinsam mit ihrem Mann in das Warschauer Ghetto deportiert. Beide werden am 4. November 1943 bei der "Aktion Erntefest" im SS-Zwangsarbeiterlager Poniatowa (Lublin) erschossen. Ihre Tochter Thekla können sie als Neunjährige im Juni 1939 in Schweden in Sicherheit bringen.
Vor der einstigen Villa Levison in der Hindenburgstarße 1 in Bünde erinnern heute Stolpersteine an Carl, Auguste und Alfred Levinson. Außerdem ist eine Straße nach der Familie benannt. Für Johanna und Albert Schiff liegen Stolpersteine vor dem Wohnhaus Lübbertorwall 18 in Herford.
Zurück zum Rezept für Levisons kleine Kekse: ich war anfangs sehr skeptisch, ob es funktioniert, denn so einen merkwürdigen Teig habe ich noch nicht zusammengerührt. Vor allem das Fehlen von Zucker machte mich stutzig. Ein bisschen brauchte ich, um den Teig besser aus der Schüssel zu bekommen und später, um ihn besser ausrollen zu können. Der Teig läuft sehr auseinander. Gebacken ist er fein, ein bisschen wie Blätterteig.
Links:
Über die Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Bünde
Briefe von Johanna und Albert Schiff aus dem Warschauer Ghetto u.a. an ihre Tochter Thekla
Oral History-Interview mit Thekla Kahn (Enkeltochter der Levisons)
Zeitungsartikel über Familie Levison
Quellenverzeichnis zur NS-Geschichte der Stadt vom Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Bünde
Dieser Beitrag geht rüber zu den Linkparties Dings vom Dienstag, Creadienstag und Handmade on Tuesday. Danke an alle für's Sammeln!
Die Kekse im Werden. |
Levisons kleine Kekse
Zutaten für ca. 30 Kekse:
250 g Butter
250 g Mehl
140 ml Sahne
ggf. etwas Zucker / Puderzucker zum Ausrollen
Marmelade / Konfitüre zum Füllen
Zubereitung:
Butter, Mehl und Sahne zu einem Teig mischen und über Nacht kalt stellen.
Am nächsten Tag den Teig dünn ausrollen (ggf. auf etwas Puderzucker), in Quadrate mit 5 bis 7 cm Kantenlänge schneiden (das geht super mit einem Pizzaroller), ein TL Marmeladen in die Mitte setzen, die Ecken zur Mitte ziehen und andrücken.
Kekse mit Abstand auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech setzen und bei 160°C (Umluft) etwa 15 bis 20 Minuten goldbraun backen. Auf ein Kuchengitter ziehen und abkühlen lassen.
Servus Sabine!
AntwortenLöschenDankeschön für das tolle Rezept und die Geschichte zur Familie hinter den Keksen. Ich freue mich, dass du damit beim DvD dabei bist und wünsche dir eine schöne erste Adventwoche! Liebe Grüße
ELFi
Oh, das muss ich mir merken - ich finde historische Rezepte auch toll!
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
Nanni
Viel Spaß beim Nachbacken!
LöschenLiebe Sabine,
AntwortenLöschendas Teigrezept hört sich in der Tag sehr merkwürdig, aber auch total lecker an! Das werde ich auch mal probieren.
Kurze Frage: Sind diese Kekse dann etwas haltbar, so wie Weihnachtsplätzchen?
LG
Natalie
Liebe Natalie,
Löschenich würde die Kekse nicht so lange aufbewahren wie Weihnachtsplätzchen. Ich hab's aber nicht probiert.
Viel Spaß beim Nachbacken!
LG
Sabine